: Die offene Wunde im Grundriß der Stadt
■ Der schwierige Umgang mit der deutschen Geschichte: Seit zehn Jahren arbeitet die "Topographie des Terrors" gegen das Vergessen. Der Neubau wird erst 1999 fertiggestellt
Es gehört zu den großen Verdiensten der einstmals kleinen Initiative „Topographie des Terrors“, daß man sich an die Brache im Rücken des Martin-Gropius- Baus niemals hat gewöhnen können. Entlang der Mauerreste blicken einen die Kellergeschosse des einstigen Palais Prinz Albrecht wie offene Gräber an. Drüben, unterhalb des Schutthügels, schaut man mit Unbehagen auf die provisorisch mit Sand zugeschütteten Fundamente des abgerissenen Reichssicherheitshauptamtes. Daß in den Kellergefängnissen die Gestapo bis 1945 Oppositionelle, Widerständler und Gegner des Naziregimes grausam folterte und zu Tode prügelte, dringt dabei ebenso ins Bewußtsein wie auch, daß sich hier die frühere SS-Befehlszentrale befand.
Daß eine Topographie des Terrors nicht „bewältigt“ werden kann, sondern als ständiges unbequemes Gedächtnis im Stadtgrundriß erhalten werden muß, bleibt auch zehn Jahre nach der Gründung der „Stiftung Topographie des Terrors“ deren erstes Anliegen. Für Reinhard Rürup, Direktor der Stiftung, bildet das Gelände „eine offene Wunde in der Stadt“, mit der sich auseinanderzusetzen nur eine Dokumentation behilflich sein kann. Alles Glättende oder Beschönigende – etwa eine großflächige Bebauung oder eine Parkanlage, in der die Spuren der Vergangenheit museal eingebettet würden – wäre der falsche Weg. Deshalb wird auch die Neugestaltung des Areals mit der langen Ausstellungshalle des Architekten Peter Zumthor die „Topographie des Terrors“ sowie ihre Nutzungen nach 1945 – etwa als Autosportgelände – wenig verändern. Der Entwurf sieht eine karge mehrgeschossige Stahl-Glas-Halle über den Ausgrabungsstätten für Exponate und die Begegnungsstätte vor, die nicht nur „alles Aufdringliche vermeidet“, wie Zumthor betont, sondern auch die bestehenden Ausgrabungen unverändert läßt. Zumthor: „Das Gelände selbst soll nicht weiter ,gestaltet‘ werden. Die Geschichtsspuren, auch die jüngsten, werden als zeitgeschichtliche Dokumente des Umgangs mit diesem besonderen Ort verstanden.“ – Die Ausstellungshalle als störendes, aber nicht zerstörendes bauliches Objekt.
Der unbequeme Ort mit seiner ungeliebten Geschichte irritiert denn auch bis dato. Gegen den Widerstand des Senats, der die Finanzierung der Halle auf die lange Bank schieben wollte, mußten die Initiatoren das Projekt anschieben. Und an die geplante Eröffnung 1998 glaubt selbst Rürup nicht. Er geht davon aus, daß das Dokumentationszentrum und die Begegnungsstätte „erst im Sommer 1999 fertiggestellt sein werden“.
In der Retrospektive auf ihre zehnjährige Geschichte blickt die „Stiftung Topographie des Terrors“ auf mehr Anstrengungen, das Gelände als Dokument zu erhalten, als auf einen hilfreichen und produktiven Umgang mit dem Ort. War es schon schwer genug, die staubige Bauschutthalde den Fängen der Bauunternehmen zu entreißen, so war es kaum leichter, die Fläche nicht den Nutzungsabsichten des Senats oder des Bezirks – etwa als Spielplatz oder Hubschrauberlandepunkt – zu überlassen. Erst 1980 fruchteten erste Bemühungen verschiedener Initiativen, die verborgene Geschichte des Prinz-Albrecht-Geländes sichtbar zu machen. Im gleichen Jahr noch forderte die Internationale Liga für Menschenrechte, eine Gedenkstätte zu errichten. Gut sieben Jahre später, 1987 zur 750-Jahr-Feier Berlins und nach langen Auseinandersetzungen zwischen dem Senat sowie der Initiative „Aktives Museum“, wurde die Dokumentation „Topographie des Terrors“ als zeitlich befristetes Projekt eröffnet. Als bei den Vorbereitungen zur Ausstellung Fundamente freigelegt und die Gefängniszellen entdeckt wurden, entstand auf großen Druck das Vorhaben, die Dokumentation dauerhaft einzurichten.
Die „Topographie des Terrors“, heute eine Stiftung, die vom Land Berlin und dem Bund unterstützt wird, setzt mit dem Abriß des kleinen weißen Pavillons am 11. Juli ihrem provisorischen Zustand ein Ende. Dann rollen die Bagger an. Der Neubau, an den man sich auch nicht gewöhnen soll, beginnt. Rolf Lautenschläger
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