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Nacktfotos stürzen Minister

■ Jelzin entläßt Rußlands Justizminister Kowaljow wegen Sauna-Skandals und ernennt einen Hauptschuldigen für den Tschetschenien-Krieg zum Nachfolger

Moskau (AFP/rtr) – Der in die Schlagzeilen geratene russische Justizminister Walentin Kowaljow ist gestern von Präsident Boris Jelzin entlassen worden. Eine Boulevardzeitung hatte in der vergangenen Woche Fotos aus einer Videoaufzeichnung aus einer bei der russischen Mafia beliebten Sauna veröffentlicht, auf denen der Minister angeblich inmitten einer Gruppe nackter Frauen zu sehen war. Jelzin hatte den Minister daraufhin suspendiert und eine amtliche Untersuchung angeordnet. Die Generalstaatsanwaltschaft ermittelt seitdem gegen Kowaljow wegen Verbindungen zur Solnzewo- Gruppe, die als eine der größten Mafiaorganisationen Rußlands gilt und in der besagten Sauna verkehrt.

Der 53jährige Kowaljow hatte die Anschuldigungen zurückgewiesen und die in Teilen auch vom Fernsehen ausgestrahlten Videobilder, die relativ unscharf waren, als Fälschung bezeichnet. Anhänger Kowaljows sprachen von einer „Schmutzkampagne“ hochrangiger Persönlichkeiten, die den Minister wegen dessen Maßnahmen gegen die Korruption im Visier hätten. Innenminister Anatoli Kulikow bestätigte jedoch die Echtheit des Bandes und widersprach Gerüchten, sein Ministerium habe das Videoband der Presse zugespielt.

Zu Kowaljows Nachfolger wurde nach Angaben des Kremls der 45jährige Sergej Stepaschin ernannt. Der verheiratete und bekleidete Stepaschin ist als „Hardliner“ bekannt und stand seit März 1994 an der Spitze des russischen Bundessicherheitsdienstes SSB, der Hauptnachfolgeorganisation des sowjetischen Geheimdienstes KGB. Er war 1995 im Zusammenhang mit der Geiselkrise in der südrussischen Stadt Budjonnowsk entlassen worden, bei der etwa 150 Menschen getötet wurden. Stepaschin gilt zudem als einer der Hauptbetreiber des Einmarschs russischer Truppen in die nach Unabhängigkeit strebende Kaukasusrepublik Tschetschenien im Dezember 1994.

Im Juni 1995 hatte ein tschetschenisches Kommando im Krankenhaus von Budjonnowsk 1.500 Menschen als Geiseln genommen. Russische Sondereinheiten versuchten zweimal vergeblich, die Geiseln zu befreien, und richteten dabei ein Blutbad an. Dies hatte die Entlassung Stepaschins zur Folge. Er gehörte anschließend der russischen Friedenskommission für Tschetschenien und dem russischen Verteidigungsrat an. Außerdem leitete er die Verwaltungsabteilung der Regierung.

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