: Im Zweifel eben aus Gambia
Richter rügt Ausländerbehörde: Dubioser Konsulvertreter verwandelt „ungeklärte Nationalität“in Abschiebung nach Gambia ■ Von Silke Mertins
Sie möchten abschieben, aber sie können nicht: Bei „ungeklärter Nationalität“sind der Ausländerbehörde die Hände gebunden. Auch in die bürgerkriegsgeschüttelten westafrikanischen Länder Sierra Leone und Liberia darf nicht zurückgeschickt werden. Der Behördenwunsch, daß Afrikaner möglichst aus unproblematischen Ländern wie Gambia stammen mögen, ist deshalb groß. 14 afrikanische Flüchtlinge wurden am 25. Juni in die Ausländerbehörde bestellt. Ein Vertreter des gambischen Honorarkonsuls sollte auskundschaften, ob es sich um Gambier handelt.
„Geh hin“, riet der Rechtsanwalt Miguel Wolf seinem Klienten Johnny D. aus Sierra Leone, als der eine Vorladung erhielt. Der 21jährige abgelehnte Asylbewerber ohne gültige Ausweispapiere sollte der Ausländerbehörde keinen Vorwand liefern, ihn in Abschiebehaft zu nehmen. Tags darauf rief er aus Glasmoor an: „I'm in prison.“Johnny sei „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gambischer Staatsbürger“, hieß es in der Haftbegründung. Das „Konsulat Gambias“habe den Flüchtling „als aus Gambia stammend anerkannt“.
Anwalt Wolf legte Beschwerde ein. Die Reaktion des Amtsgerichts vom 1. Juli ist eine ungewöhnlich deutliche Rüge an die Ausländerbehörde. Die Botschaft habe auf Anfrage verneint, den freien Mitarbeiter, der die Verhöre mit den Abschiebekandidaten führte, überhaupt ermächtigt zu haben. Von daher, so Richter Hoffmann, sei mit einer Ausreise nicht zu rechnen und die Haft aufgehoben. Die Einschätzung des Dolmetschers sei auch deshalb bedenklich, „weil er zeitgleich 13 von 14 bei der Ausländerbehörde vorgeladene und erschienene Schwarzafrikaner als gambische Staatsangehörige erkannt haben will, die als einzig übereinstimmendes Vorladungskriterium die Verstrickung in Drogenhandel aufweisen“.
Gefälligkeitsgutachten eines dubiosen freien Mitarbeiters, der gleichzeitig als Dolmetscher für die Behörden arbeitet? Norbert Smekal, Sprecher der Ausländerbehörde, weist den Vorwurf zurück. „Wir halten die Entscheidung des Richters für sehr fragwürdig.“Man wolle Beschwerde einlegen. Der Konsulvertreter beherrsche neben Englisch und Deutsch sieben afrikanische Sprachen und könne etwa „anhand der Sprachfärbung“das Herkunftsland erkennen.
Außerdem bestünde ein „öffentliches Interesse“, Afrikaner, die laut Polizei als Dealer bekannt sind, „in ihr Heimatland abzuschieben“, auch wenn keine rechtskräftige Verurteilung und Haftstrafe vorliegt. In jedem Fall „müssen wir solche Verfahren sicherlich auch zukünftig machen“. Die gambische Botschaft habe inzwischen zugesagt, Paßersatzpapiere für die 13 Zwangs-Gambier auszustellen.
Vor zwei Jahren wurde in Hamburg ein ähnlicher Fall öffentlich (taz vom 15.6.95). Auch damals sollten afrikanische Übersetzer im Behördenauftrag die Nationalität feststellen. Auch da war das aufnahmefreudige Gambia das Wunschland für Abschiebungen.
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