: Mädchenmuster – Mustermädchen
■ „Girlies“und die Ideologie des Minirocks: Ein Vortrag von Sabine Tietjen
Hübsch mit Blümchenrock und Puschel-Tshirts war der Schlachthof-Turm dekoriert. Denn am Donnerstag ging es um ein Mode-Thema, das schon wieder aus der Mode ist: „Girlies – Eine lachende Revolte“betitelte die Berliner Soziologin Sabine Tietjen ihren Vortrag.
Ein mitgebrachter Film, illustrierte eingangs das „Medienprodukt Girlie“, bzw. wie widersprüchlich die Repräsentantinnen es selber sehen. Auf die Frage „Seid ihr Girlies?“hörte man da kichernde Backfische sagen: „Wir wollten mal, aber dann haben wir uns in einen Jungen verliebt und haben's wieder bleiben lassen...“
An die kritische Analyse der Abziehbilder vom frechen, gutdraufen und sexy „Girlie“knüpfte Sabine Tietjen an. Humorig und pointiert schilderte sie, wie deutsche Zeitgeistmagazine das Phänomen der starken Mädchen vereinnahmt und in Altherren-Phantasien gewendet haben. „Viel Sex, viel Spaß, kein Männerhaß“sollte die Devise der Girlie-Generation lauten und die „Lolita-Techno-Minimäuse“wurden hübsch und schrill, mit Hotpants und Zöpfchen skizziert...
Geflissentlich übersehen wurde laut Tietjen die ursprüngliche Idee des Ganzen: 1990 fanden sich in Washington junge Frauen zusammen, die mit Punk und Grunge im Hintergrund und einer ordentlichen Portion Wut die ersten „Riot-Grrrl“-Banden bildeten. Bands wie „Bikini Kill“, „Whole“oder „Dickless“thematisierten Prostitution, Mißbrauch und Abtreibung, sie gaben sich dabei aggressiv und – trickreich – infantil. Ihr Konzept war das einer zynisch-ironischen Selbst-Diskrimminierung als böse kleine Mädchen, mit dem sie sich allerlei erlauben konnten.
Die subversiven Anfänge der „Riot-Grrrls“gerieten in Vergessenheit, gleichzeitig wurde die eigene Schreibweise ignoriert: „Aus Grrrls wurden Girls und schließlich weiter verniedlicht die Girlies!“erklärte Sabine Tietjen bedauernd.
Immerhin, so Tietjen, erschloß die Vereinnahmung der Idee einen neuen Markt für neue Zielgruppen. Nach Import und Weichspülung kennzeichneten sich die „Girlies“durch Konsumverhalten, mit den dazugehörigen Markenartikeln, Comic-Figuren und Popgruppen.
Das Entstehen eines eigenen Kulturmarktes für Mädchen wertete Sabine Tietjen nicht nur negativ: „Endlich gibt es weibliche Vorbilder und Idole, die das Selbstwertgefühl stärken können.“Als Beispiele nannte sie Bands wie „TicTacToe“oder „Spice-Girls“und Fanzines wie „Planet Pussy“aus Hamburg.
An der Frage der Wirkung der „Girlie“-Bewegung auf ihr jugendliches Publikum entzündete sich dann die Diskussion – die ZuhörerInnen waren doch zumeist älteren Jahrgangs. So ging es vornehmlich um eine ratlose Einordnung von politischer Relevanz und um mögliche Perspektiven für die frech gewordene Girlie-Generation.
„Girlietum ist doch auch die Weigerung, erwachsen und verantwortlich zu werden. Außerdem steckt da ein ziemlich traditionelles Schönheits-Ideal drin. Was ist denn daran emanzipativ?“fragte eine Sozialpädagogin skeptisch.
Sabine Tietjen interpretierte den Generationskonflikt allerdings optimistischer: „Mit ihrem trotzigen 'Ja' lachen die Girlies über eine Welt, die nicht zum Lachen ist. Was sollen die mit der politischen Kultur der letzten 20 Jahre denn anfangen?“
Eine andere Pädagogin aus dem Publikum gab ihr recht: „Allerdings wird sich zeigen, wie kontrovers und konfliktfähig die Mädchen heute wirklich sind, wenn sie bei der härter werdenden Jugendarbeitslosigkeit mal ihre Rechte einfordern müssen.“ Helene Hecke
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