: Designtes Heim vom Profi
Innenarchitekten machen flotte Entwürfe für die eigene Hütte. Doch Privatkunden gehen nach wie vor lieber zur Gratisberatung ins Möbelhaus ■ Von Gereon Asmuth
Endlich die neue Fabriketage, aber keinen Plan, wie man die schier unendliche Fläche einrichten könnte. Vielleicht ist es auch das alte marode Landhaus oder die Villa am Stadtrand. Oder ganz einfach die stinknormale Stadtwohnung, die eben nicht stinknormal bleiben soll.
Vielleicht bringt es der fachkundige Rat vom Profi. Insbesondere wenn es nicht nur um die stilvolle Möblierung geht. Die liefert auch der Einrichtungsfachberater im gut sortierten Möbelhaus. Selbst bei Ikea, wo bekanntlich der Kunde selbst König der Möbelschrauber ist, trifft der desorientierte Einrichtungswillige auf Fachpersonal, das beim Vollstellen der neuen Behausung hilfreich ist. Nur den Grundriß der Wohnung muß man mitbringen. Dann wird am Computer die Möblierung simuliert. Auch wer ziellos durchs schwedische Sortiment streift, bekommt en passant den einen oder anderen Tip. Im Möbelhaus Hübner gibt es sogar professionelle Innenarchitekten, die einen kostenlos beraten, wenn es sein muß sogar zu Hause.
Allerdings können Innenarchitekten weitaus mehr als professionelle Tips fürs Möbelrücken geben. „Durch eine historisch gewachsene, landläufige Vorstellung ist die Innenarchitektur leider mit dem Gedanken des Dekorativen verknüpft“, sagt Karlheinz Wendisch, Vorsitzender des Landesverbandes Berlin-Brandenburg im Bund Deutscher Innenarchitekten. Innenarchitekten sind zuständig für Baustatik über die Einrichtung der Kabelage, für Bauphysik, Schallschutzberechnungen bis hin zur Beratung über schadstofffreie Baustoffe. Die ästhetische Komponente, das Innenraumdesign für Wände, Licht und Meublement, sei da allenfalls der Schlußpunkt. Der freilich dazugehört.
Um diese verschiedenen Leistungsbereiche professionel synchronisieren zu können, muß ein Innenarchitekt nicht nur mindestens ein Fachhochschulstudium nachweisen. Auch eine zweijährige Berufspraxis in allen Baubereichen wird vorausgesetzt, bevor ein Innenarchitekt in die Architektenliste eingetragen werden darf. Erst dann darf er die Innenarchitektur auch offiziell als Berufsbezeichnung führen.
Wer einen Innenarchitekten sucht, der den eigenen vier Wänden den rechten Kick gibt, muß trotzdem nicht soviel löhnen wie vermutet. Zahlen will Wendisch nicht nennen. Die Honorarordnung für Architekten mache zwar klare Vorgaben, doch ein typisches Musterbeispiel gebe es nicht.
Trotzdem gestalten Innenarchitekten nur sehr selten Privatwohnungen. Wendisch selbst hat in den letzten acht Jahren keinen einzigen Auftrag von Privatkunden bekommen. Dabei würde sich die Investition durchaus lohnen, glaubt Wendisch. Bei der Wahl des Fußbodenbelags komme es beispielsweise nicht nur auf den Anschaffungspreis an: „Man muß auch berücksichtigen, wie sich der Belag reinigen läßt oder wie leicht er nach seiner Abnutzung wieder ausgewechselt werden kann.“
Auch der Innenarchitekt Gerd Kirchner arbeitet hauptsächlich für gewerbliche Abnehmer. Innenarchitektur für den Privatkunden sei einfach zu profan. Allenfalls über Musterhäuser, die er für Wohnungsbaugesellschaften entwirft, gestaltet Kirchner indirekt privates Ambiente. Den gutsituierten Geschäftsmann, der mal eben die Gestaltung der Studentenbude als Überraschung für die Tochter in Auftrag gibt, gibt es zwar immer noch, doch so etwas ist äußerst selten. Und doch locken die großen Schaufenster seines Ladens in der Reinhardtstraße in Mitte Privatkunden. „Doch die interessieren sich dann meist nur für Einzelstücke“, sagt Kirchner. Wenn jemand jedoch mehr möchte, bietet Kirchner mehr als die Einrichtungsberater der Möbelhäuser. „Die sind ja bei ihren Angeboten auf die jeweilige Kollektion beschränkt“, meint Kirchner. Er hingegen entwirft spezielle Einzelstücke, wie „die Bar, die sonst keiner hat“. Oder die Spezialkonstruktion in einem großen Flur, über die die Hauskatze „an der Decke entlangspazieren kann“. Doch solche Schmuckstücke haben ihren Preis: Ein Schubfachregal zum Beispiel, klassische Handarbeit aus Frankreich, kostet 6.500 Mark. Kirchner hofft daher auf finanzkräftige Kunden. Er zählt vor allem auf die Bonner. Denen könnte er innerhalb von vier Wochen schlüsselfertig eingerichtete Wohnungen anbieten.
Doch zur Zeit läuft das Geschäft für die Innenarchitekten trotz des Baubooms in Berlin noch schlecht. „Wenn das Bauschild steht, ist selbst die Detailplanung schon abgeschlossen“, erklärt Kirchner. Was derzeit aus den Baugruben wachse, sei meist schon vor Jahren entworfen worden. Neu geplant werde derzeit kaum noch. Und wenn doch, dann vorwiegend von großen Firmen aus Süddeutschland. Kaum überraschend, daß Hochbauarchitekten bei ihren Entwürfen häufig die klassischen Arbeitsbereiche der Innenarchitekten nun mit übernehmen.
Zwar hat Kirchner, der auch ausgebildeter Industriedesigner ist, noch andere Betätigungsfelder. Für die Deutsche Bahn AG entwirft er beispielsweise die Einrichtung von Schienenarbeitsfahrzeugen. Oder er gestaltet Arztpraxen und Altenpflegeheime. Doch in Zeiten von Rezession und Gesundheitsreform kränkelt die Auftragslage. Zeit für Privatkunden hätten die Innenarchitekten folglich genug. Und wegen der schlechten Auftragslage lassen sie auch über das Honorar verhandeln.
Nähere Informationen: Bund Deutscher Innenarchitekten, Landesverband Berlin-Brandenburg, Am Goldmannpark 12, 12587 Berlin, Tel: 6448 83 19
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