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Arbeitslosigkeit – weil wir sind, wie wir sind

■ „Zukunftskommission“ von Stoiber und Biedenkopf legt Zwischenbericht vor

Bonn (dpa) – Fehlende Bereitschaft zum Berufs- oder Wohnortwechsel sowie Ablehnung einfacher, schlecht bezahlter Tätigkeiten sind wesentliche Ursachen der hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland.

Zu diesem Ergebnis kommt ein Zwischenbericht, den die Ministerpräsidenten von Sachsen und Bayern, Kurt Biedenkopf (CDU) und Edmund Stoiber (CSU), in Bonn von der von ihnen gegründeten „Zukunftskommission“ entgegennahmen. Lösungsvorschläge für die Beschäftigungsprobleme sollen erst in einem weiteren Bericht Ende des Jahres vorgelegt werden. Weitere Ursachen seien die zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen sowie Risikoscheu vor der Selbständigkeit. Ein Fünftel der Arbeitslosenzahl sei allerdings auf die im Zuge der deutschen Einheit bewußt vorgenommene Beseitigung von etwa 840.000 Arbeitsplätzen bei den Streitkräften und in der Rüstungsindustrie in ganz Deutschland, im Staatsapparat der früheren DDR – insbesondere bei der Staatssicherheit und den politischen Parteien – zurückzuführen. Globalisierung und hohe Arbeitskosten spielten auch eine Rolle, aber nicht die wichtigste.

„Die hohe Arbeitslosigkeit ist nicht das Ergebnis eines Meteoriteneinschlags oder eines Erdbebens“, sagte der Vorsitzende der Kommission und langjährige Biedenkopf-Vertraute Professor Meinhard Miegel. Die Beschäftigungsprobleme seien vielmehr „das Ergebnis des Verhaltens großer Teile der Bevölkerung über Jahrzehnte hinweg – die Verhältnisse sind wie sie sind, weil wir sind wie wir sind“. Die Bevölkerung habe insbesondere auf die wichtigste Änderung der Rahmenbedingungen noch nicht reagiert, daß nämlich „vor allem im hochproduktiven Bereich Erwerbsarbeit durch den zügig voranschreitenden Einsatz von Kapital und Wissen verdrängt wird“. Die Erwerbstätigen in Deutschland hätten nicht nur materielle Ansprüche an den Beruf, sondern erwarteten auch individuelle Entfaltung und Selbstverwirklichung. Zeitlich ungünstige Arbeiten und Dienstleistungen für Menschen seien unbeliebt. Hinzu komme ein ausgeprägtes Sicherheitsbedürfnis. Berufliche Selbständigkeit werde überdies durch ein Übermaß an Regulierungen erschwert. In Ostdeutschland ist die Erwerbsneigung der Frauen noch größer als in Westdeutschland. Biedenkopf begründete dies unter anderem damit, daß der Lebensunterhalt stärker durch Erwerbsarbeit bestritten werde als im Westen, wo es größere Vermögensrücklagen gebe.

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