piwik no script img

Sind Sie glücklich?„Ich mache aus Scheiße Gold“

■ 11 Uhr, Wittenbergplatz. Günter Heise sitzt allein zu Hause vor der Eierkiste. „Glück ist, wenn ich abends schlafen gehe und morgens wieder aufwache“

Bei der Frage kommen die meisten Menschen ins Grübeln: „Sind Sie glücklich?“ will die taz wissen und hört sich fortan täglich um 11 Uhr abwechselnd auf dem Alexanderplatz und dem Wittenbergplatz um. Gestern war der Wittenbergplatz dran. Heute stehen wir auf dem Alexanderplatz. Das Ergebnis lesen Sie am jeweils folgenden Tag an dieser Stelle.

Der 56jährige Günter Heise: Ich bin ganz unten. Weil ich seit fünfzehn Jahren alleine bin und den ganzen Tag zu Hause sitze. Ich bin gerade runtergegangen, um Zigaretten zu holen. Dann gehe ich wieder ruff und setze mich vor die Eierkiste. Dann ist die Sache für mich gelaufen. Was soll ich denn alleine machen? Früher hab' ich eine Freundin gehabt. Das war keine Deutsche, aber das spielt ja keine Rolle. Da war alles in Ordnung. Bloß hier (zeigt auf die Bierbüchse in seiner Hand) hat's an mir gehapert. Den Gedanken, aufzuhören, hab' ich gestern erst gehabt (lacht). Aber da müßte schon eine Frau kommen, die sagt, jetzt tritt mal kürzer.

Oh, Kochen kann mich glücklich machen. Ich mache aus Scheiße Gold. Aber nicht aus der Büchse. Nur frische Sachen. Glück ist auch, wenn ich jemanden glücklich machen kann. Glück ist für mich, wenn ich abends schlafen gehe und morgens wieder aufwache. Ich bügele auch sehr gerne. Ein Oberhemd in anderthalb Minuten. Ich bin Damen- und Herrenmaßschneider. Ich hab' damals am Ku'damm gearbeitet. Nach zwei Jahren hab' ich aufgehört. Dann bin ich als Bügler gegangen. Ich hab' sogar mit Gasbügeleisen Nerzmäntel gebügelt. Ich habe paar Pläne. Ich hab' eine schöne kleine Ecke in meiner Wohnung. Da steht ein Schrankbett, das geht ab zum Altmüll. Da kommt dann ein Hochbett hin und darunter der Fernseher. Am Fenster rum kommt eine Eckcouch in Leder und ein Aquarium. Aber das wird immer ein Traum bleiben. Barbara Bollwahn

wird fortgesetzt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen