: Rundherum glücklich sagt Nummer zwei goodbye
■ Nach dem Halbfinal-Aus in Wimbledon verabschiedet sich der Tennisprofi Michael Stich von seinem Sport – und schließt ein Weiterleben als DTB-Kapitän aus
London (dpa) – Michael Stich (28) blieb sich auch im Abschied treu. Nach dem Blitzlichtgewitter, den Ovationen und dem schweren letzten Gang vom „heiligen Rasen“ in Wimbledon erwachte der deutsche Tennisprofi am Morgen danach mit einem „komischen Gefühl“. Doch Süßholz raspeln wollte er auch in der Stunde seines endgültigen Abgangs von der Tennisbühne nicht. „Ich hatte nie das Ziel, mich auf dem Platz als Person darzustellen, sondern als guter Tennisspieler.“
Andere riefen ihm gute Worte nach. „Einen mit den spielerischen Fähigkeiten wie Michael gibt es nur sehr, sehr selten“, sagte zum Beispiel der freundliche Pete Sampras, der gestern im Finale gegen Pioline statt Stich spielen mußte.
Locker und gelöst, so wie er sein letztes Wimbledon bis zum Aus im Halbfinal-Krimi gegen Cedric Pioline gespielt hat, saß Michael Stich am Samstag morgen auf genau dem Platz, auf dem 40 Stunden vorher schon Boris Becker seinen Rückzug auf Raten erklärt hatte. Dieselbe hellblaue englische Couch im Deutschen Haus – und doch war die Situation ganz anders. Stich wird sich keine „Tingeltour wie ein alternder Schlagerstar“ antun. Ein halbherziger Rückzug wie der seines ewigen Konkurrenten Becker kommt für ihn nicht in Frage. „Wenn ich Tennis spiele, zählen für mich die großen Turniere, die Grand Slams. Aber das ist seine Entscheidung, die muß man respektieren.“
Den dauernden Konkurrenzkampf mit dem dreifachen Wimbledon-Sieger ist er leid. Stich will nichts mehr vom Posten des Daviscup-Kapitäns wissen. Bei der neuen Konstellation mit dem Deutschen Tennisbund auf der einen Seite und dem Beckerschen Junior-Team auf der anderen sagt er schlicht: Nein danke. „Ich will nicht in der Mitte stehen und der Leidtragende sein.“ Auch das Abstiegsspiel gegen Mexiko in Essen wird wohl ohne den Spieler Stich stattfinden. „Ich habe keinen blassen Schimmer, ob ich mich bis dahin noch fit genug halten kann.“
Stich ist rundherum glücklich, behauptet er. Auch ohne Tennis. „Vielleicht kommen ja Angebote, die mir die Entscheidung erleichtern“, sagt er. Beim Fernsehen hat er schon reingerochen. An ein Medizinstudium denkt er vage. „Es gibt mehr als Tennis im Leben“, sagt Michael Stich. Im Gegensatz zu anderen darf man bei ihm getrost annehmen, daß er das ernst meint.
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