Kat sei Dank: Autobahn mit Platinrand

■ Frankfurter Wissenschaftler messen drastisch erhöhte Platinwerte neben Autobahnen. Schädlichkeit noch unklar. Greenpeace-Studie: Autoabgase für 25.000 Tote im Jahr und 28 Milliarden Mark Gesundheitskosten verantwortlich

Berlin (taz) – Der Einsatz von Katalysatoren im Autoverkehr führt zu einer verstärkten Belastung der Umwelt mit dem Edelmetall Platin. Das ergaben Untersuchungen des Instituts für Mineralogie an der Universität Frankfurt am Main. Die Wissenschaftler haben über Jahre entlang mehrerer Autobahnen Bodenproben entnommen, die eine beständig steigende „anomale Platinkonzentration“ ergaben. Auch Greenpeace verwies gestern auf die Umweltgefahren durch Autos: Nach einer Studie hat der Verkehr inzwischen die Industrie als Luftverschmutzer Nummer eins in Deutschland abgelöst.

Bei der Arbeit der Frankfurter Wissenschaftler stellte sich heraus, daß die Platinkonzentration am Rand von Autobahnen in den jüngsten Jahren stark zugenommen hat. Die Forscher führen das auf den verstärkten Einsatz von Katalysatoren in Pkws zurück. An der A66 von Frankfurt nach Wiesbaden lagen die Werte Anfang der neunziger Jahre zehnmal höher als normal, an der A67 von Frankfurt nach Mannheim Mitte der neunziger Jahre schon 70mal höher. Auch das GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit des Bundes berichtet in seinem gerade veröffentlichten Jahresbericht 1996, daß die Platinkonzentration in Straßenstäuben sich in den vergangenen Jahren verzehn- bis verzwanzigfacht hat.

Den höheren Wert an der Autobahn nach Mannheim führen die Frankfurter Forscher auch darauf zurück, daß dort keine Geschwindigkeitsbeschränkung besteht. „Bei höherer Geschwindigkeit“, so Hans Urban von der Frankfurter Universität, „steigt der Platinausstoß überproportional an.“ Die platinbeschichteten Katalysatoren würden stärker belastet und mehr Metall gelange in die Umwelt. Mit einer Schädigung müsse gerechnet werden, berichten die Wissenschaftler. Botanische Studien ergaben, daß bei Pappeln der Wasser- und Mineralhaushalt durch die erhöhten Platinwerte gestört wird. Auch für den Menschen kann Platin gefährlich werden: Die vom Senat der Deutschen Forschungsgemeinschaft berufene „Kommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe“ stuft Platinverbindungen als „sensibilisierende Arbeitsstoffe“ ein, die allergische Krankheitsbilder an Haut und Atemwegen hervorrufen können, beispielsweise Kontaktekzeme oder Asthma.

Das genaue Ausmaß der Schädigung von Mensch und Natur läßt sich derzeit allerdings nicht beschreiben: Das entsprechende Programm der hessischen Landesregierung zur „ökologischen Zukunftsforschung“ existiert nicht mehr.

Daß Autoabgase krank machen, ist seit längerem bekannt. Doch jetzt hat das Umwelt- und Prognose-Institut Heidelberg (UPI) im Auftrag von Greenpeace ausgerechnet, welche Kosten der Verkehr dem Gesundheitswesen verursacht. Die meisten Verkehrsopfer sterben demnach nicht auf der Straße. Doppelt so viele Menschen, 25.000 im Jahr, kommen durch Abgase vorzeitig ums Leben. Verkehrsbedingte Luftverschmutzung verursacht zusätzliche Gesundheitskosten von 28 Milliarden Mark jährlich. Dazu kommen 24 Millionen Tage Arbeitsausfall, bedingt durch Atemwegserkrankungen wie Asthma und chronische Bronchitis.

Von dieser „Luftschadstoffbelastung der zweiten Generation“ – Staubpartikel, Benzol, Dieselruß, Stickoxide und Ozon – seien die Feinstpartikel besonders gefährlich, da sie in die Verästelungen der Luge vordringen. Das Ausmaß und die Folgen für die Gesundheit werde bislang unterschätzt. Wissenschaft Seite 12