Sind Sie glücklich?
: „Ich bin glücklicher als andere“

■ 11 Uhr, Alexanderplatz. Die schwer sehbehinderte Annette Loos ist froh, daß sie ihre drei Kinder nach einer Psychose wieder regelmäßig besuchen darf

„Sind Sie glücklich?“ will die taz wissen und hört sich täglich um 11 Uhr abwechselnd auf dem Alexanderplatz und dem Wittenbergplatz um. Das Ergebnis lesen Sie jeweils am folgenden Tag.

Die 38jährige Annette Loos: Vollkommen glücklich ist man nur selten. Aber mir geht es gut. Ich habe drei gesunde Jungs im Alter von zwei, drei und sechs Jahren. Mit denen habe ich viel Spaß.

Vor ein paar Jahren ging es mir ziemlich schlecht. Nach der Geburt des dritten Kindes habe ich eine Psychose bekommen. Es kam so schnell nach dem vorletzten und war nicht geplant, aber ich wollte es nicht abtreiben.

Plötzlich für ein Baby und zwei Kleinkinder sorgen zu müssen war einfach zuviel. Ich konnte nicht mehr und bin ausgeflippt. Nachdem ich nackt auf der Straße rumgerannt bin, haben sie mich in die Psychiatrie geschafft.

Nach einem Vierteljahr ging es wieder einigermaßen. Danach habe ich in Hoppegarten eine kleine Wohnung bekommen, um dort ein bißchen Ruhe und Abstand zu finden. Meine Kinder leben bei meinem Mann. Ich bin froh, daß ich sie inzwischen wieder regelmäßig sehen darf. Ich glaube, ich bin glücklicher als andere. Die meisten Leute wirken eher unglücklich. Viele jagen doch nur den Konsumgütern hinterher. Aber daran liegt mir überhaupt nichts. Ich fahre gern auf den Flohmarkt und freue mich, wenn ich dort billig Klamotten und Spielzeug holen kann. Ich lebe von Sozialhilfe. Ich verdiene mir ein bißchen durchs Flötespielen dazu. Ich habe mal Erzieherin gelernt, aber ich bin schwer sehbehindert. Auf einem Auge bin ich blind, auf dem anderen sehe ich nur zehn Prozent. Ich bin im Blindenbund und kenne viele, die ganz blind sind. Im Vergleich zu denen habe ich es richtig gut. Ich kann allein in die Stadt fahren, kann saubermachen und Essen kochen. Plutonia Plarre

wird fortgesetzt; heute stehen wie auf dem Wittenbergplatz