Nachgefragt
: „Ziemlich ausgeliefert“

■ Was droht Azubis bei neuem Gesetz?

Azubis über 18 Jahre bekommen die Berufsschulzeit seit März nur noch in Minuten plus Pausen angerechnet. Auch nach einem achtstündigen Berufsschultag bleibt deshalb noch Arbeitszeit übrig, die sie im Betrieb arbeiten müssen. Was Unternehmer als „erhöhten Praxisanteil“begrüßen, verunsichert Azubis. Die taz sprach mit der Bremer Jugendsekretärin der IG-Metall, Antje Edel, über die aktuelle Situation.

taz: Wie extrem reagieren die Betriebe?

Antje Edel: Das allerschärfste, was ich bisher gehört habe, stammt von den Handwerkern in Niedersachsen. Die haben sich glatt auf den Standpunkt gestellt, die Berufsschulzeit müßte überhaupt nicht als Arbeitszeit angerechnet werden. Aber das ist mittlerweile berichtigt worden.

Trotzdem bleiben Fragen. So soll laut Berufsbildungsgesetz (§10) der Vergütungsanspruch jährlich steigen. Nach der neuen Gesetzeslage aber müssen volljährige Azubis länger im Betrieb arbeiten. Das bedeutet Einbußen.

Den Fall hatten wir noch nicht, aber da würden wir eine Klage unterstützen und Rechtsschutz gewähren. Das Problem bei Azubis ist aber, daß sie in extremen Abhängigkeitsverhältnissen stecken und deswegen selten ihre Rechte einklagen.

Es ist jetzt profitabler, Azubis über 18 Jahre einzustellen, weil die mehr arbeiten ...

... und weniger geschützt sind. Ja. Das kann man nur auf der politischen Ebene lösen. Natürlich können Betriebe mit Betriebsräten das auch per Betriebsvereinbarung regeln. Aber in kleinen Betrieben ohne Betriebsrat sind die Azubis ziemlich ausgeliefert.

Wie können sich Azubis schützen?

Zuerst ist wichtig, dem Arbeitgeber klarzumachen, daß es viel Sinn macht, den Jugendlichen die Zeit nach der Berufsschule für Hausarbeiten zu geben. Sonst entstehen theoretische Defizite. Wo der Azubi aber nur billige Arbeitskraft sein soll, wird da wohl nichts zu machen sein. Da muß man im Einzelfall rechtliche Möglichkeiten prüfen, sowas einzuklagen. Voraussetzung ist, daß ein Arbeits- oder Tarifvertrag greift.

Bremer SPD-ParlamentarierInnen haben jetzt persönlich 400 Firmen angerufen und dabei 33 zusätzliche Azubi-Plätze aufgetan. Was halten Sie davon?

Grundsätzlich begrüße ich jede Aktion, die zu mehr Ausbildungsplätzen beiträgt. Aber 33 Stellen sind ein Tropfen auf den heißen Stein. Ich würde es mehr begrüßen, wenn die SPD ihre Beschlüsse umsetzen und sich für eine gesetzliche Regel stark machen würde, nach der alle Betriebe an den Kosten für Ausbildung beteiligt werden sollen.

Die Bremer Grünen wollen, daß Betriebe nur Mittel aus dem Investitions-Sonderprogramm bekommen werden, wenn sie auch ausbilden. Was halten Sie davon?

Das finde ich ganz hervorragend. Das wäre endlich eine konkrete Maßnahme.

Fragen: Eva Rhode