: Kitsch auf volle Leistung
■ Hauptsache tanzen: Die 90er Jahre-Bühnenfassung des Musicals Fame eignet sich wie der 80er Jahre-Film mehr zum Träumen als zum Denken
Der Mann von der Süddeutschen Zeitung war schwer enttäuscht: Nein, diese Fassung von Fame habe nichts gemein mit der Rührseligkeit und dem Optimismus des Filmes von Alan Parker, alles Klischees dort auf der Bühne. Mitleid mit den Darstellern habe er gar empfunden bei der Premiere in Berlin. Seltsam! Das Fame-Fieber grassierte schließlich Anfang der achtziger Jahre, da darf man jetzt doch wohl mal ein bißchen modernisieren?! Merkwürdig auch, so strenge Vergleichsmaßstäbe anzulegen zwischen Film und Bühnenfassung. Oder hat Frank Castorfs Trainspotting-Inszenierung den SZ-Menschen vielleicht auch traurig gemacht, weil die so wenig mit dem flotten Film zu tun hatte?
Dabei steht es außer Zweifel: Die neue Fame-Inszenierung von Lars Bethke eignet sich auch sehr gut zum Träumen, und die Melodie „Fame! I wanna live forever ...“wird jeder mitsummen können, der den Film kennt und jetzt das Bühnen-Musical im Schauspielhaus besucht.
Der Mannheimer Unternehmer Wolfgang Boksch, seit Jahren zuständig für die Sommerbespielung im Schauspielhaus, ist Produzent des Tournee-Musicals über die Schauspiel-, Tanz- und Musikausbildung einer Gruppe von Studenten an einer New Yorker Musicalschule. Boksch hat schon die California Dream Men und David Copperfield nach Europa gebracht.
Jetzt arbeitet er mit über 30 jungen Amerikanern, die er für die Produktion in den USA gecastet hat. Viele von ihnen haben gerade ihre Ausbildung abgeschlossen, für sie erfüllt sich ein Traum; Fame, so hoffen sie, weise ihnen den Weg zum Ruhm. Deshalb spielen sie – wenn auch nicht immer perfekt – voller mitreißender Begeisterung.
Ja, das ist eine hübsche Show. Über Theater-Kunst darf man in diesem Zusammenhang gar nicht erst nachdenken. Am besten sollte überhaupt nicht viel denken, wer erwägt, sich Fame anzuschauen. Außer er denkt an Dinge, die gut zur Gattung Musical passen: daran zum Beispiel, daß der tolle Breakdancer Gabriel nach einem Tanz-Unfall lange Zeit bei Fame nicht mitspielen konnte, aber jetzt wieder glücklich dabei sein darf. Oder er freue sich darüber, daß die Hauptdarstellerin im wahren Leben mit einem Kollegen geht, den sie im Musical abblitzen läßt. Vor allem aber schalte man für Fame seine Kitsch-Empfänger auf volle Leistung – dann kann man es sich drei Stunden lang gutgehen lassen.
Rose Moreno
Gastspiel: 15. Juli bis 17. August, tägl. außer montags, 20 Uhr, Deutsches Schauspielhaus
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