: British Airways am Boden
Seit gestern streiken Tausende Fluglinienangestellte gegen Gehaltskürzungen. Die Konzernleitung droht mit Aussperrung und Streikbrechern ■ Von Dominic Johnson
Berlin (taz) – British Airways ist die laut Eigenwerbung beliebteste Fluglinie der Welt. Allerdings nicht bei ihrem Personal. Seit gestern brodelt ein Tarifkonflikt, der zur härtesten Kraftprobe zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften in Großbritannien seit den Druckerstreiks vor zehn Jahren eskalieren könnte. Mit einer Serie von 72-Stunden-Streiks will die britische Gewerkschaft TGWU (Transport & General Workers' Union) einen Kostensenkungsplan der Luftfahrtgesellschaft kippen. Dieser sieht unter anderem Kürzungen von 19 Prozent im Grundgehalt des Bordpersonals vor. Gestern fiel bereits etwa die Hälfte aller British-Airways-Flüge an den beiden großen Londoner Flughäfen Heathrow und Gatwick aus.
British Airways steckt mitten in einem Sparprogramm ihres Chefs Bob Ayling, der die jährlichen Ausgaben bis zum Jahr 2.000 um umgerechnet drei Milliarden Mark senken will. Ein 1996 drohender Pilotenstreik wurde durch Verhandlungen abgewendet. Dieses Jahr geht es um Catering und Bordpersonal: Flugmahlzeiten werden an Subunternehmer ausgelagert, die Grundgehälter neu angestellter Stewards und Stewardessen werden gesenkt. Während die kleine Betriebsgewerkschaft „Union Crew '89“ mit 3.000 Mitgliedern dies akzeptierte – ihr Chef Andy Webb meinte, das Bordpersonal sei „zu gut bezahlt“ – stellt sich die TGWU quer. Sie vertritt die überwältigende Mehrheit der 54.000 Angestellten von British Airways. Mit knapp 900.000 Mitgliedern ist sie auch die zweitgrößte Gewerkschaft Großbritanniens mit einer langen Geschichte militanter Arbeitskämpfe. Die Konzernleitung setzte die Gehaltskürzungen trotzdem in Kraft.
Ende Juni stimmten die 8.700 TGWU-Mitglieder des Bord- und Bodenpersonals in Urabstimmungen jeweils mit Zweidrittelmehrheit für Streik.
Daß British Airways sich auf diese Konfrontation einläßt, ist für viele Beobachter ein Rätsel – zumal die entgangenen Einnahmen durch Umbuchungen nervöser Fluggäste die geplanten Einsparungen durch die Gehaltssenkung bereits übersteigen. Die Reaktion von British Airways auf den Streik ist selbst für britische Verhältnisse außerordentlich hart: 1.000 Streikbrecher wurden angeheuert, leitende Manager zu Stewards umgeschult. Der Konzern droht Streikenden an, sie gerichtlich für entgangene Einnahmen der Fluglinie zu belangen, und streicht ihnen für drei Jahre Freiflüge und Beförderungen.
Inzwischen sind alle Belegschaftsmitglieder sogar aufgefordert, nach Ende des laufenden Streiks am Samstag telefonisch ihre Arbeitswilligkeit anzumelden. Wer das nicht tut, wird ausgesperrt. Um das zu umgehen, haben sich 1.200 Mitglieder des Bordpersonals lieber krank gemeldet, statt offen streiken zu müssen.
Interessant wird die Reaktion der Labour-Regierung sein. Bob Ayling, Chef von British Airways, ist ein Freund von Premierminister Tony Blair. TGWU-Chef Bill Morris setzte sich dagegen 1995 bei der Wahl zur Gewerkschaftsspitze gegen Jack Dromey durch, Ehemann der Labour-Sozialministerin Harriet Harman.
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