Technomusik und Partydrogen gehören angeblich unweigerlich zusammen. Die erste breitangelegte Studie über Drogenkonsum in der Technoszene jedoch relativiert diese Annahme. Die Hälfte der befragten Raver nimmt überhaupt keine Drogen, und für

Technomusik und Partydrogen

gehören angeblich unweigerlich

zusammen. Die erste breitangelegte

Studie über Drogenkonsum in

der Technoszene jedoch relativiert

diese Annahme. Die Hälfte der

befragten Raver nimmt überhaupt

keine Drogen, und für den Rest

gilt: Droge Nummer eins ist

nicht Ecstasy, sondern Cannabis.

Hasch bringt die Raver in Ekstase

Alle Jahre wieder die gleichen Fragen. Schwingende Hüften, lachende Gesichter, winkende Hände. Ist es die Musik, die Sonne, oder sind es die Drogen? Kann man auch nüchtern raven, oder sind Techno und Ecstasy zwei Seiten der gleichen Medaille?

Aufklärung kommt aus Köln. Pünktlich zur Love Parade legt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in diesen Tagen die erste breitangelegte Studie über Drogenkonsum in der Techno-Party-Szene vor. Das Ergebnis überrascht. Zwar ist die Affinität zu Rauschdrogen unter Ravern eindeutig höher als beim Rest der Bevölkerung. Knapp die Hälfte der befragten Raver jedoch nimmt aktuell überhaupt keine illegalen Drogen. Und für den Rest gilt: Droge Nummer eins ist nicht Ecstasy, sondern Cannabis.

Man kann demnach davon ausgehen, daß der größte Teil der Love-Parade-Besucher überhaupt keine Drogen in der Tasche hat. Und die Mehrzahl der drogenkonsumierenden Raver wird eher eine Tüte Marihuana als ein Pillendöschen dabei haben. Wenn jedoch jemand Pillen mit sich herumträgt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, daß er auch noch andere Drogen wie Amphetamine, Halluzinogene oder Kokain dabei hat.

Durchgeführt wurde die Studie vom Berliner Sozialpädagogischen Institut (SPI). Das Forscherteam befragte im Laufe des letzten Jahres 1.674 Raver in Berlin, Hamburg, Nürnberg, Magdeburg sowie Bröllin und Heiddorf in Brandenburg danach, ob, seit wann, wieviel, wie häufig und mit wem sie Drogen konsumieren. Um einen Querschnitt durch die Szene zu gewährleisten, wurden die Fragebögen in kleineren Clubs, auf Großraves und bei Straßenparaden verteilt.

An der Spitze der Drogenbeliebtheitskala rangiert laut SPI- Studie mit weitem Abstand Cannabis. 69 Prozent aller befragten Raver hat schon einmal gekifft, 49 Prozent im letzten Monat, 14 Prozent aller Raver kiffen sogar täglich. Erst dann folgen die anderen Drogen: die Hälfte aller Raver hat Erfahrung mit Ecstasy, 44 Prozent mit Speed, 37 Prozent haben Halluzinogene probiert und 30 Prozent schon einmal Kokain geschnupft. Für den aktuellen Konsum gab jeder dritte an, im letzten Monat eine Pille genommen zu haben, jeder vierte hatte Speed gezogen und jeder sechste einen Trip geschluckt oder gekokst.

Dem knappen Drittel aller Befragten, die noch nie eine illegale Droge genommen haben, steht eine ungefähr genauso große Gruppe von Ravern gegenüber, die über Erfahrungen mit vier oder mehr Drogen verfügen. Denn wenn in der Technoszene illegale Drogen eingeworfen werden, dann richtig: Die Mehrheit der drogenkonsumierenden Raver nahm im Monat vor der Befragung zwei, drei oder mehr illegale Substanzen zu sich. Der reine Ecstasykonsum kommt dabei praktisch nicht vor. Nur vier Prozent der befragten Raver nehmen ausschließlich die bunten Pillen. Die dominierende Tendenz ist eher die Polytoxikomanie, der fröhliche Mischkonsum. Hier herrscht die Kombination Cannabis – Ecstasy – Speed vor, ergänzt durch Halluzinogene und/oder Kokain. Je höher der Konsum an illegalen Drogen, desto weniger Alkohol wird getrunken und desto mehr Zigaretten werden geraucht.

Den Namen „Partydrogen“ tragen die synthetischen Stoffe nicht umsonst. Während der Cannabiskonsum vom Zeitpunkt des Szeneeinstiegs relativ unabhängig ist, ergibt die Studie, daß die meisten Raver ungefähr zwei Jahre nach ihrem Einstieg in die Technoszene zum erstenmal Ecstasy oder Speed nehmen. Außerdem wird der Drogenkonsum stärker davon bestimmt, wie häufig und wie lange ausgegangen wird, als davon, ob die Freunde Drogen nehmen. Das in den Siebzigern vorherrschende „Modell“, in der Gruppe Drogen zu nehmen, um gemeinsam auf die Reise zu gehen, ist ersetzt durch das „Modell“ Party: Drogen nehmen, um den Spaß zu steigern. Das Ausgehen ist Ravern wichtiger als die Bezugsgruppe.

Für den typischen drogenkonsumierenden Raver zeichnet die Studie etwa folgendes Bild: Er ist zwischen 18 und 21 und geht jedes Wochenende aus, manchmal auch an zwei Tagen. Dabei verbringt er zwischen 9 und 16 Stunden in Clubs oder auf Parties. Er hat Freunde in der Technoszene, die auch Drogen nehmen. Und je länger er in der Szene bleibt, desto stärker der Drogenkonsum.

Erstaunlicherweise halten die Raver ihren Drogenkonsum für relativ riskant. Zwar wird Cannabis in der Szene als ähnlich ungefährlich eingeschätzt wie Alkohol oder Nikotin. Die synthetischen Drogen werden jedoch als relativ gefährlich angesehen. Bei Ecstasy werden vor allem psychische, bei Speed physische Schäden befürchtet. Dieses Bewußtsein hält jedoch die wenigsten vom Konsum ab. Es scheint eher ein Bewußtsein wie beim zigarettenrauchenden Otto Normalverbraucher vorzuherrschen: Mich wird es schon nicht treffen, und wenn ich wirklich aufhören will, dann höre ich auch auf.

Die fröhlichen Gesichter zu Beginn der Love Parade – es kann also auch an der Sonne und an der Musik liegen. Wer dagegen Montag vormittag im Berliner Bezirk Mitte noch an der Leipziger Straße sitzt, auf halbem Weg zwischen den Technoclubs Tresor und E-Werk, und den Berufsverkehr an sich vorbeiziehen läßt, hat mit großer Wahrscheinlichkeit ein drogenverstrahltes Wochenende hinter sich. Tobias Rapp