Fischzug eines Gaskonzerns

■ Ruhrgas AG würde mit dem Kauf der landeseigenen Gasag-Aktien seine beherrschende Stellung ausbauen. Wasserbetriebe mit sinkenden Chancen

Die Großkonzerne wachsen – und mit ihnen ihre Macht. Wie beim Verkauf der Bewag steht bei der geplanten Veräußerung der landeseigenen Gasag-Aktien die weitere Monopolisierung des bundesdeutschen Energiemarktes bevor. Als Interessent für die Berliner Mehrheitsbeteiligung gilt unter anderem die Essener Ruhrgas AG, der Marktführer beim Vertrieb von Erdgas.

Dieses Unternehmen besitzt nicht nur heute schon 12 Prozent der Gasag-Aktien (Infos siehe Kasten), sondern beliefert den regionalen Gasversorger auch mit Brennstoff. Für Verbraucher und Industrie könnten langfristig „die Gaspreise steigen“, wenn Ruhrgas mit einem größeren Aktienanteil gleichzeitig mehr Einfluß auf die Gasag gewänne, befürchtet Ernst- Otto Kock, Sprecher der Gewerkschaft ÖTV.

Heute liefert der Essener Konzern über zwei Wege einen beträchtlichen Teil des Gases, das die Gasag verteilt. Zum einen tritt er selbst als Verkäufer auf, zum anderen pumpt auch die in Leipzig residierende Verbundnetz Gas AG den wertvollen Energieträger nach Berlin. An diesem Unternehmen ist Ruhrgas mit 35 Prozent beteiligt. Zu der Rolle als entscheidender Vorlieferant kommt nach dem Verkauf von Landesaktien die Position als möglicherweise größter Einzelaktionär. Dann könnte Ruhrgas wesentlich die Preise der Gasag bestimmen.

Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) läßt die Gasbetriebe gegenwärtig auf die Privatisierung vorbereiten. Der Auftrag, einen Käufer zu suchen, wurde der US-amerikanischen Investmentbank Merril Lynch übertragen. Auch beim geplanten Verkauf der Flughäfen und von Teilen der Bankgesellschaft Berlin wählte man ein ähnliches Vorgehen: Die international agierenden Banken und Unternehmensberater Barclays und Schroders führen ein Bieterverfahren durch, um den meistbietenden Interessenten ausfindig zu machen.

Dabei geht es vordringlich um die höchste Kaufsumme, die die Finanzsenatorin nutzen will, um Hauhaltslöcher zu stopfen. Strukturpolitische Überlegungen für die Region und Umweltschutzargumente spielen dabei in der Regel nur eine untergeordnete Rolle.

Die Auslagerung des Verkaufsmanagements hat für Fugmann- Heesing noch einen weiteren Vorteil. Anders als aus der Landesverwaltung sickern aus den Privatbanken nur selten Informationen heraus. Der Verkauf geht also wesentlich reibungsloser vonstatten.

Alternativen zum Verkauf der Gasag-Aktien an Energiemonopolisten spielen offenbar eine zunehmend geringere Rolle. Nach Informationen der Berliner Zeitung liegt der Finanzverwaltung ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG vor, dem zufolge die landeseigenen Berliner Wasserbetriebe (BWB) in der Lage seien, zwei Milliarden Mark an den Landeshaushalt abzuführen. Die Bündnisgrünen, ÖTV und Teile der SPD setzen sich hingegen dafür ein, daß die Wasserbetriebe mit ihren flüssigen Mitteln die Gasag-Aktien kaufen sollen. Der Landeshaushalt würde entlastet, und gleichzeitig blieben die Gasbetriebe mittelbar unter der Kontrolle des Senats.

Eine Lösung, die nach Ansicht von ÖTV-Sprecher Kock auch wirtschaftlich Sinn ergebe: „Denken Sie an die Synergieeffekte.“ Unter gemeinsamer Führung könnten die beiden Unternehmen zum Beispiel ihre Bauarbeiten an Rohrleitungen und Kommunikationseinrichtungen koordinieren, was Millionen Mark spare.

Einen Hinweis, was der Verkauf der Gasag-Aktien an Energiekonzerne für die Beschäftigten bedeuten könnte, gab unlängst Gasag-Chef Jörg-Olaf Liebetrau: Der Gasversorger EWE verteile in Oldenburg und Brandenburg im Vergleich zur Gasag die doppelte Menge Energie – mit der Hälfte der Beschäftigten. Während die EWE nach Liebetraus Angaben nur 650 Mitarbeiter bezahlt, stehen auf den Lohnlisten der Gasag 2.700 Beschäftigte.

Vor einigen Monaten ließ der Vorstand der Gasag schon einmal einen Testballon steigen: Statt, wie mit der Gewerkschaft vereinbart, die Belegschaft in den kommenden drei Jahren sozialverträglich auf 2.125 zu reduzieren, komme man durchaus auch mit 1.450 MitarbeiterInnen aus. Nach Protesten hat die Chefetage diesen Plan auf Eis gelegt – vorläufig. Hannes Koch