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Die Basken kehren der ETA den Rücken

■ Am Tag der Beisetzung des ermordeten Stadtrates Miguel Ángel Blanco zeigt ein symbolischer Generalstreik gegen den Terror, daß die Separatistenorganisation ETA ihren Rückhalt in der Bevölkerung fast völlig verloren hat

Ermua/Madrid (dpa) – Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung ist der von Terroristen der baskischen Untergrundorganisation ETA ermordete Stadtrat Miguel Ángel Blanco gestern in seinem Heimatort Ermua beigesetzt worden.

Als die Trauerfeier mittags in der Kirche begann, ruhte ganz Spanien in stillem Protest gegen die Gewalt der ETA. Überall im Lande ließen die Menschen die Arbeit zehn Minuten lang ruhen und gingen auf die Straße. Züge stoppten ihre Fahrt, die Börsen unterbrachen ihre Sitzungen, Hörfunk und Fernsehen blendeten sich aus. Im Baskenland, wo ein einstündiger Generalstreik ausgerufen worden war, blieben viele Geschäfte den ganzen Tag über geschlossen. Trauerflore hingen an Balkonen und öffentlichen Gebäuden, die Flaggen wehten auf halbmast.

Bilbaos Bischof Ricardo Blázquez ermutigte die Bürger, „keine Angst zu haben“, auch wenn der Terrorismus erneut „sein grauenhaftes Antlitz“ gezeigt habe. Nur wenn Spanien mit einer Stimme spreche, könne die ETA besiegt werden. Blanco, der für die in Spanien regierende konservative Volkspartei im Stadtrat Ermuas saß, war am Sonnabend mit zwei Kugeln im Kopf gefunden worden und in der Nacht zum Sonntag im Krankenhaus gestorben. Von seinen Mördern gab es weiter keine Spur.

Ministerpräsident Aznar forderte die Bürger und alle demokratischen Parteien auf, „den Geist der vergangenen Tage“ aufrechtzuerhalten und eine gemeinsame Front gegen die ETA zu bilden. Es müsse, sagte Aznar, eine klare Grenze zwischen Demokraten und dem ETA-Umfeld gezogen werden. Die Separatistenpartei Herri Batasuna (HB/Volksunion), der politische Arm der ETA, müsse isoliert werden.

Gleichzeitig warnte Aznar aber vor Racheaktionen. „Nur mit dem Gesetz, aber mit der ganzen Härte des Gesetzes“ dürfe die ETA bekämpft werden. Er deutete rechtliche Schritte gegen HB an, die den kaltblütigen Mord bisher nicht verurteilt hatte und statt dessen von einem „Aufruf zur Lynchjustiz und der Unterdrückung gegen die Basken“ sprach. Die demokratischen Parteien des Baskenlandes kündigten inzwischen HB jegliche Zusammenarbeit auf. Die Separatisten stellen mit elf Abgeordneten die drittstärkste Partei im Regionalparlament.

In Teilen des Baskenlandes und in der Nachbarregion Navarra kam es gestern erneut zu Auseinandersetzungen zwischen jugendlichen ETA-Anhängern und Gegnern. Mehrere Menschen wurden leicht verletzt, darunter einige Beamte. Auch Versammlungslokale von HB waren wieder Ziel von Angriffen.

Am Abend sollten in Madrid, Barcelona und anderen Großstädten erneut Großkundgebungen gegen die ETA stattfinden. Zuvor wollte sich König Juan Carlos in einer Fernsehansprache an die Bevölkerung wenden. Tagesthema Seite 3

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