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Melker aus der DDR – Oberochse aus dem Osten

■ Peter-Michael Diestel ist wieder da: Er möchte Brandenburgs CDU-Chef werden

Berlin (taz) – Jetzt hat der Zirkus in der Brandenburger CDU endlich seinen Clown. Peter-Michael Diestel ist wieder da. Mit breitem Grinsen ist er rein in die Manege, und schon nach seinen ersten Worten raste das Publikum. Diestel kündigte an, er würde gerne Brandenburger CDU-Chef werden. Was für ein Witz!

Und was für ein Auftritt. Ein echter Diestel. Schrill, provokant, nicht unintelligent. Die CDU in Brandenburg brauche keinen Retter aus dem Westen, tönte er. „Die Karre muß hier im Osten gezogen werden, und dafür braucht es einen Oberochsen aus dem Osten.“ So kündigt ein DDR-Vizemeister im Melken von 1969 sein politisches Comeback an. Und damit gar keiner erst auf die Idee kommt, er könnte auch Interesse an dem Job haben, hat der Anwalt ein sehr spezifisches Anforderungsprofil entworfen: „Der darf erstens kein Nobody sein, er muß zweitens mit der Mediengesellschaft klarkommen, und drittens muß er das Vertrauen der Partei haben.“

So war Peter-Michael Diestel schon immer: als letzter Innenminister der DDR, als Brandenburger CDU-Chef, als Mitbegründer der ostdeutschen Komitees für Gerechtigkeit, als Präsident des Fußballvereins Hansa Rostock. Und stets hat er auch sich selbst inszeniert. Er war stolz auf seine Leibwächter von der Stasi, bezeichnet Alexander Schalck-Golodkowski als einen Freund, lädt Egon Krenz schon mal zur Party in sein Haus ein und bezeichnet sich als populärsten Politiker Ostdeutschlands – „nach Manfred Stolpe und Regine Hildebrandt“. Was der Egozentriker auch immer angepackt hat: Er hat viel bewegt. Ist aber auch überall gescheitert.

Der Brandenburger CDU jedoch könnte er gar nicht mehr so viel schaden. Die hat bereits ihre verdiente Ruhe gefunden: auf dem von der Stolpe-Regierung sorgsam geharkten Friedhof. Ganze 16 Prozent der Wähler haben die Christdemokraten noch hinter sich. Was lag angesichts dieser Aussichtslosigkeit gegen die übermächtige SPD näher, als sich mit sich selbst zu beschäftigen?

Das hat die CDU dann auch ausgiebig getan. Nach Diestels Abgang 1992 hat die Landespartei einen Parteichef nach dem anderen verschlissen. Unter dem aktuellen Partei- und Fraktionsvorsitzenden Peter Wagner ist die CDU dann endgültig entschlafen. Wagner, der als Kinderarzt noch immer praktiziert, als Hobbypolitiker zu bezeichnen, wäre glatt übertrieben.

Als der CDU-Chef jetzt in Urlaub fuhr, haben drei seiner Parteifreunde die Gelegenheit genutzt, ihm in einem Brief alles vorzuwerfen, was ihm nur vorzuwerfen ist: unter anderem komplette Unfähigkeit. Die Parteispitze blieb ungerührt: „absurde Aktion im Sommerloch“, fand sie. Diestel ist das völlig egal. Er nutzt die Gelegenheit zur Provokation. Daß zwei der drei Briefautoren Mandanten des Anwalts sind – Schwamm drüber. Daß Diestel in Brandenburg keine Chance mehr hat und er das weiß – was soll's. Hauptsache, es macht Spaß. Jens König

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