: EU klagt gegen laue BSE-Kontrollen
■ Die britische Regierung soll vor Gericht, weil sie das Ausfuhrverbot für Rindfleisch nicht richtig überwacht hat. Zwei Fleischbetriebe geschlossen. Auch Deutschland droht wegen schlampiger Tiermehlproduktion ein Verfahren
Straßburg (taz/dpa/AFP) – Emma Bonino zieht die Schrauben an. Die Verbraucherschutzkommissarin der EU will Großbritannien verklagen, weil es das Ausfuhrverbot für Rindfleisch nicht gut genug überwacht hat. Das erklärte Bonino vor dem BSE-Kontrollausschuß des Europaparlaments in Straßburg. Bereits am 8. Juli hat sie nach eigenen Angaben einen Brief in die Whitehall, Tony Blairs Regierungssitz, geschickt.
Der Anfang Juni bekanntgewordene Schmuggel von 1.600 Tonnen Rindfleisch von den Britischen Inseln aufs Festland habe gezeigt, daß die Exportkontrollen offenbar unzulänglich seien. Die neue britische Regierung reagierte ungewöhnlich schnell: Sie machte vorgestern abend eine Fleischverarbeitungsfabrik und ein Kühllager dicht. Hygiene und Exportkontrollen in diesen Betrieben seien „unzureichend“, begründete Landwirtschaftsminister Jack Cunningham hemdsärmelig. Er sei entschlossen, hart gegen alle Firmen durchzugreifen, die die Gesundheit gefährdeten. Das Fleisch in den Betrieben sei teilweise mit falschen Beschriftungen oder mit „Dokumenten anderer Staaten“ versehen worden. Der Labour-Minister versicherte, die Untersuchungen „bis zum Ende“ fortzuführen. Cunningham wollte gestern abend vor dem BSE-Kontrollausschuß des Europaparlaments aussagen. Dies wäre das erste Mal seit Verhängung des BSE-Embargos, daß ein britischer Landwirtschaftsminister sich den EU-Abgeordneten stellt. Cunninghams Vorgänger Douglas Hogg hatte sich geweigert.
Wieviel Rindfleisch trotz des geltenden BSE-Embargos insgesamt aus Großbritannien ausgeführt wurde, ist Bonino zufolge noch unklar. Das Schmuggelfleisch war offenbar für Rußland, Ägypten, Äquatorial-Guinea, Bosnien-Herzegowina und Polen bestimmt. Ob die Schmuggelware BSE-verseucht war, konnten die EU-Veterinäre noch nicht klären. Bonino bestätigte außerdem, daß die 172 Tonnen Rindfleisch, die Anfang Juli aus Hamburg kommend auf Rügen beschlagnahmt wurden, möglicherweise aus Großbritannien stammen. Neue Fleischanalysen stützen den Verdacht. Das Fleisch stammte von der belgischen Firma Tragex-Gel und war für Rußland bestimmt. Tragex-Gel wurde mittlerweile auf Anweisung der Kommission geschlossen.
Doch nicht nur gegen Großbritannien wird wegen BSE ermittelt. Auch gegen zehn andere EU-Länder laufen bereits seit Ende Juni Verfahren wegen Vertragsverletzungen, darunter Deutschland, Frankreich, Holland und Spanien. Der Vorwurf: Tiermehl wurde nicht gemäß den verschärften EU-Vorschriften produziert, die BSE-freies Mehl garantieren sollen. Schweden etwa konnte die Vorwürfe entkräften, Deutschland nicht. urb
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