: Der Name der Freiheit
■ Der amerikanische Künstler Paul Garrin hat ein eigenes Registrierungssystem für Internetadressen entwickelt
In einer Nacht im August 1988 saß Paul Garrin am Schneidetisch bei Broadway Video. Es war der heißeste Tag des Jahres, die Klimaanlagen liefen auf Hochtouren, plötzlich fiel der Strom aus. Garrin ging nach Hause, doch vor seinem Apartment im East Village herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände. Polizeiautos rasten herbei, Hubschrauber kreisten über dem Platz, damals ein bekannter Treffpunkt für homeless people. Garrin holte die High-8-Videokamera aus seiner Wohnung und begann zu filmen, wie die Polizei versuchte, die Obdachlosen zu vertreiben. Als Polizisten ihn bemerkten, versuchten sie seine Kamera kaputtzuschlagen. Einige waren vermummt, andere hatten ihre Dienstmarken abgenommen.
Garrin filmte weiter und bot das Material am nächsten Morgen einem lokalen Fernsehsender an. Eine Woche lang zeigten New Yorker Fernsehstationen immer wieder seine Aufnahmen. Er selbst montierte daraus den kurzen Videofilm „Free Society“, der auf mehreren Festivals mit Preisen dekoriert wurde.
Schon damals beschäftigte Garrin der Gegensatz zwischen privatem und öffentlichem Raum. Ende der siebziger Jahren hatte er bei den Konzeptkünstlern Hans Haacke und Martha Rosler studiert und war später Assistent von Nam June Paik. Mit seinem neuen Projekt „Name Space“ (http:// namespace.pgpmedia.com) hat er jetzt den Kampf ins Internet verlegt. Er hat das Registrierungssystem „name.space“ entwickelt, bei dem Internet-User einen sogenannten Domain-Namen anmelden können. Bisher ist das nur bei der amerikanischen Firma Network Solutions (NSI) möglich – für Garrin eine Privatisierung des öffentlichen Raumes des Internets. Im März verklagte er NSI wegen Monopolbildung – seine eigene Firma PG Media Inc. betrieb er damals noch in seinem Wohnzimmer. Vergangene Woche hat das amerikanische Justizministerium nun damit begonnen, die Praxis der Namensvergabe von Network Solutions zu untersuchen.
Wer Garrin in seinen neubezogenen Büroräumen im Herzen Manhattans besucht, trifft einen schnell redenen, agilen Mann, der trotz langer Haare mehr von einem Geschäftsmann als von einem Künstler hat. Das Geld, das er mit „name.space“ zu verdienen hofft, will er dazu benutzen, alternative Medien online zu bringen. Das Registrierungsprogramm selbst soll als Freeware im Netz vertrieben werden. Tilman_Baumgaertel@
compuserve.com
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