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Unterm Strich

Big Sinn vorneweg: Mit der Forderung nach einem dritten Weg „zwischen zirzensischer Beliebigkeit und elitärer Bedeutungslosigkeit“ hat Roman Herzog im Münchner Literaturhaus die Bedeutung des Bücherlesens auch in der „Erlebnisgesellschaft“ umrissen. In der „überreizten Medienlandschaft der Gegenwart“ gehöre die Vermittlung der „im Prinzip leisen und individuellen Literatur zu den schwierigsten Geschäften, denen man sich widmen kann“. Bayerns Kultusminister Hans Zehetmair lobte das Lesen als „fundamentale Kulturtechnik“. Die Autorin Gabriele von Arnim gab der Überzeugung Ausdruck, die Gesellschaft brauche dringend „geistige Zufuhr“. Wer dies hier nicht mehr lesen kann, ist doof.

Das Prinzip Love Parade ist derweil mitsamt seiner eigenen Negation im schwäbischen Tübingen angelangt, wo es frisch resynthetisiert wird. Zu einer Love & Hate Parade lädt die Wüste Welle, das „freieste Radio der Region Tübingen/Reutlingen“, wie es in einem Fax der Organisatoren heißt. Heute ab 16 Uhr geht es vom Tübinger Marktplatz mit Sounds der DJs Arsch frißt Hose, Boogie Down und Trümmerbruch „auf 2 Wägen“ los. Zum Unterstützerkomitee gehören der AK Anarchy und Subkultur, Akzept e.V., BI Südstadt, Epplehaus, food not bombs, Komitee gegen die Bezirksstelle (KGB), Lauschangriff-Redaktion, Wagenburgen Bambule und Kunterbunt, Zelle e.V., Zentralamerika-Komitee – alles klasse Namen, oder?

Nochmal eine andere Position zum Problemkomplex Gegenwart/Welt/Zeit/Ich nimmt Bob Dylan ein. „Yesterday everything was going too fast / Today it's moving too slow“, singt er in „Standing In The Doorway“, einem Titel des für den September angekündigten Albums „Time Out Of Mind“, der ersten Platte mit Eigenkompositionen seit „Under The Red Sky“ (1990). Einem Bericht von USA Today zufolge sollen die anderen Lyrics ähnlich „direct, revealing“ und „seldom ambigous or enigmatic“ sein. Dylan beklage sich über ein „Life in the same old cage“ und fordere die Welt, die Kunst und die anderen Verantwortlichen auf, „to push back the clock“. Ts! Freuen tun wir uns aber trotzdem auf dieses Werk und auch darüber, daß Dylan von seiner pilzbedingten Herzsackerkrankung (Pericarditis/ Histoplasmosis) wieder vollständig genesen scheint.

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