: Verordneter Einkauf
■ Flüchtlinge und Asylbewerber sollen nur in ausgesuchten Läden einkaufen dürfen - trotz eines anderslautenden Urteils
Berlin (taz) – Alle Asylbewerber und auch Flüchtlinge aus Bosnien, die Sozialhilfe beziehen, sollen künftig nur noch in bestimmten Magazinläden einkaufen dürfen. So die Pläne des Berliner Senats. Er zeigt sich unbeeindruckt von einem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts. Das Gericht hatte kürzlich einer Asylbewerberfamilie aus dem Libanon das Recht auf den Einkauf in normalen Supermärkten zugesprochen. Die Familie hatte dagegen geklagt, ihre Lebensmittel nur noch in zwei Magazinläden kaufen zu dürfen, die von der privaten Sorat GmbH betrieben werden. Dort sei die Ware oftmals teuerer als in anderen Läden. Das Gericht entschied, daß die Praxis des zentralen Verkaufs die Flüchtlinge benachteilige. Sie bekämen durch den Zwangseinkauf weniger Leistungen, als ihnen gesetzlich zugestanden wird (Az: VG Berlin 8A372.97 vom 27.6). Die Berliner Sozialverwaltung hat Beschwerde gegen das Urteil eingelegt.
Seit der Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes am 1. Juni sollen die Bundesländer und Kommunen vorrangig Sachleistungen statt Bargeld an Asylbewerber und Flüchtlinge geben. Sie können aber auch darauf verzichten und statt dessen Wertgutscheine oder Bargeld ausgeben.
Die Berliner Sozialverwaltung hat sich für die schärfere Variante entschieden und will trotz des Verwaltungsgerichtsurteils das Sachleistungsprinzip jetzt auch auf die bosnische Kriegsflüchtlinge ausweiten. Auch AsylbewerberInnen, die in Wohnungen und nicht in Heimen leben sind davon betroffen. Derzeit sind 2.200 Asylbewerber verpflichtet, in den Magazinläden einzukaufen. Wie ein solches Sachleistungssystem für mehr als 30.000 Menschen umgesetzt werden soll, ist derzeit völlig unklar. „Es könnten weitere zentrale Magazinläden eingerichtet werden oder Wertgutscheine für normale Supermärkte ausgegeben werden“, spekuliert Wolf-Rüdiger Westphal, Abteilungsleiter in der Berliner Sozialverwaltung. Eine weitere Möglichkeit sei ein „Catering-System“, also Freßpakete, die täglich abgeholt werden müßten.
Daß das Sachleistungsprinzip wesentlich teurer als die Auszahlung von Bargeld kommt, nimmt der Berliner Senat trotz der seiner Finanznot gerne in Kauf: In einem Rundschreiben an die bezirklichen Sozialämter heißt es, daß sich diese Praxis für die Kommunen dennoch „auszahlen“ werde. Weil „dann das deutsche Flüchtlingssystem nicht mehr als besonders attraktiv angesehen und der Zustrom abnehmen wird“. Auch der Bund weiß um die erhöhten Ausgaben. Die Verwaltungsmehrkosten je Flüchtling liegen laut Westphal durchschnittlich um 488 Mark höher, als wenn Bargeld ausgezahlt werden würde. Allein der Unterhalt und die Investitionskosten der beiden Magazinläden in Berlin wird in diesem Jahr rund 500.000 Mark verschlingen. Julia Naumann
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen