: Heimlicher Abschied vom sozialen Wohnungsbau
Umweltsenator Strieders Vorschlag, die Förderung des sozialen Wohnungsbaues für fünf Jahre auszusetzen, kann zwar die leere Landeskasse entlasten, ein überfälliges Zukunftskonzept für den Sozialwohnungsbau ist aber nicht in Sicht ■ Von Uwe Rada
Anfang Juli überraschte Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) mit einem ebenso einfachen wie eingänglichen Vorschlag. Da der soziale Wohnungsbau in seiner bisherigen Form nicht mehr finanzierbar sei und überdies Leerstände von einer Entspannung auf dem Wohnungsmarkt kündeten, sollen der erste und zweite Förderweg des sozialen Wohnungsbaus für fünf Jahre ausgesetzt werden. In der Zwischenzeit, so der Senator, könne man über Reformvorschläge oder Alternativen zur herkömmlichen Wohnungsbauförderung nachdenken.
Mit dem Vorschlag, den die SPD-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing – sehr zum Leidwesen der SPD-Linken – dankbar aufgriff, ist das Thema „sozialer Wohnungsbau“ einmal mehr auf dem Tisch. Doch die Anregung, Alternativen zum teuren ersten Förderweg zu diskutieren, bei dem die öffentliche Hand allein 1997 je Wohnungseinheit 440.000 Mark zuschießt, findet bei den Regierungsparteien kaum ein Echo. So paradox es klingen mag: So groß die Möglichkeit ist, daß die Fördermittel für Mietwohnungsbau und Stadterneuerung bereits in den laufenden Haushaltsberatungen bis auf winzige Restmengen zusammengestrichen werden, so gering ist das Interesse an einer umfangreichen Reform des klassischen sozialen Wohnungsbaus.
Bremser Nummer eins ist dabei Bausenator Jürgen Klemann. Zwar führt der CDU-Politiker die Linie seines Vorgänger Wolfgang Nagel (SPD) fort, den klassischen sozialen Wohnungsbau im ersten Förderweg zusammenzustreichen und statt dessen die Fördermittel auf den zweiten Förderweg sowie die Eigenheimförderung zu konzentrieren. An eine Reform der Wohnungsbauförderung ist bei Klemann freilich nicht zu denken. „Klemann verteidigt die Wohnungsbauförderung doch nur deshalb, damit Baulöwen wie Groth & Graalfs auch weiterhin ihre teuren Partys bezahlen könnnen“, heißt es dazu intern aus dem Hause Strieder.
Der soziale Wohnungsbau als Förderprogramm für Großinvestoren? Der PDS-Fraktionsvorsitzende Harald Wolf und der baupolitische Sprecher der Fraktion, Bernd Holtfreter, sehen deshalb vor allem für die Opposition Handlungsbedarf. Derzeit erarbeitet die PDS-Fraktion ein „Ideenkonzept“, um das gängige Fördersystem, bei dem, so Wolf, „ein erheblicher Teil Investoren- und Bankengewinne gefördert werden“, grundlegend umzukrempeln. Wolfs Zauberwort heißt „kommunales Sondervermögen“. In einem Wohnungsbaufonds sollen dabei große Kapitalmengen versammelt werden, u.a. ein Teil der Bestände der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, die bisherigen Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau und die öffentlich geförderte Stadterneuerung sowie das Anlagekapital, das private Investoren durch die derzeit geltenden Abschreibemöglichkeiten realisieren können.
Ganz so neu ist die PDS-Idee freilich nicht. Bereits in den rot- grünen Koalitionsverhandlungen haben die Grünen 1989 der SPD die Zusicherung abgerungen, ein Modellprogramm „kommunales Sondervermögen“ aufzulegen. Aus dem ehrgeizigen Vorhaben ist allerdings nie etwas geworden.
Mit einem Programm unter anderen Förderprogrammen will sich die PDS freilich nicht zufriedengeben. Ihr geht es darum, die Investitionskapazitäten in einem Großfonds zu bündeln und damit nicht nur die Investitionsbank Berlin zu entmachten, sondern über Quersubventionierungen die sozialpolitischen Zielsetzungen eines solchen Reformvorhabens sicherzustellen. Wolf: „Wir wollen günstig bauen und durch langfristige Miet- und Belegungsbindungen auch zu sozialverträglichen Lösungen kommen.“ Um das zu erreichen, sollen etwa sanierte Wohnungen an attraktiven Standorten teuer vermietet oder verkauft werden, während man mit dieser Wertabschöpfung andernorts Altbausanierung in einem Umfang betreiben möchte, der weit über das Maß der derzeit geförderten Wohneinheiten im Modernisierungs- und Instandsetzungsprogramm des Bausenators hinausgeht.
Vor allem aber will die PDS in den Bestand investieren. Mit dieser Schwerpunktsetzung unterscheiden sich die demokratischen Sozialisten kaum von den Vorstellungen der bündnisgrünen Opposition. So fordert etwa die baupolitische Sprecherin der Grünen, Ida Schillen, zehn Jahre lang nur noch den vorhandenen Wohnungsbestand zu fördern. Dazu gehört für Schillen nicht nur die Altbausanierung, sondern auch die Sicherung der Belegungsrechte für den aktuellen Bestand an Sozialwohnungen. Schillens Rechnung ist dabei einfach: „Man kann gar nicht so viele Sozialwohnungen bauen, wie in den nächsten Jahren aus der Bindung fallen.“ In der Tat lesen sich die Prognosen des Abteilungsleiters Wohnungsbau beim Bausenator, Günter Fuderholz, mehr als dramatisch: Von 346.608 Sozialwohnungen im Jahre 1995 werden im Jahre 2010 nur noch 164.492, also weit weniger als die Hälfte, vorhanden sein. „Dabei handelt es sich hier oft um preiswerte Wohnungen, während die Sozialwohnungen aus den achtziger und neunziger Jahre von Schlechterverdienenden kaum zu bezahlen sind“, erinnert Schillen. Jede Förderung müsse einen sozialpolitischen Effekt haben, und zwar „möglichst auf Dauer“.
Für die Koalitionsparteien sind die Vorstellungen der Opposition allerdings kein Thema. Wohnungsbauförderung heißt nicht mehr nur bei der CDU, sondern auch bei SPD-Senator Peter Strieder in erster Linie nicht mehr die Förderung von Sozialwohnungen, sondern vor allem die Förderung von Wohneigentum. Einziger Unterschied: Während Bausenator Jürgen Klemann vor allem die Häuslebauer am Stadtrand unterstützen und damit die grassierende Stadtflucht eindämmen möchte, setzt Strieder vor allem auf den Bau von Eigentumswohnungen in der Innenstadt, um der „wachsenden Zahl an Ein- und Zweipersonenhaushalten ein Angebot zu machen“. Wenn die vorhandenen Mittel freilich nach und nach auf die Eigentumsbildung konzentriert werden, besteht an einer Reform der Mietwohnungsbauförderung tatsächlich irgendwann einmal kein Bedarf mehr.
Sowohl Klemann als auch Strieder lassen in ihren gemeinsamen Bemühungen, die Mieterstadt Berlin in eine Stadt der Wohnungseigentümer umzuwandeln, eines außer acht. Denn von einer Entspannung des Wohnungsmarkts kann nur im mittel- und hochpreisigen Marktsegment die Rede sein. „Berlin hat nach wie vor sehr großen Bedarf an billigen Wohnungen für Alleinerziehende, große Familien, Rentner oder junge Leute“, sagt die Grünen- Politikerin Schillen. Wer nur für Besitzbürger plane, plane an der sozialen Realität der Stadt vorbei.
Dennoch räumt auch Ida Schillen ein, daß von einer Reformstimmung in Sachen Wohnungsbauförderung bei der Opposition im Abgeordnetenhaus keine Rede sein könne. Seit zwei Jahren, sagt Schillen, habe man darüber eigentlich nicht geredet. Auch PDS-Fraktionschef Wolf gibt zu, daß die Zeit drängt, da mit der derzeitigen Privatisierungswelle der Wohnungsbaugesellschaften das potentielle Kapital eines künftigen Wohnungsbaufonds sinke. Dennoch will Wolf lieber Nägel mit Köpfen machen als einen Schnellschuß vorlegen. In drei Monaten, so verspricht er, werde man ein erstes Pilotmodell in Sachen kommunales Sondervermögen durchgerechnet haben.
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