Bundesliga im Test: „Luft nach oben“
■ Coach Frank Pagelsdorf steht mit dem HSV im Halbfinale des UI-Cups
Jetzt muß er weiter leiden. Frank Pagelsdorf, der neue Trainer des Hamburger SV, ist kein Freund des UI-Cups, doch am Samstag abend reichte seiner Mannschaft eine mäßige Leistung, um den türkischen Vertreter Samsunspor mit 3:1 zu schlagen und ins Halbfinale gegen den SC Bastia (26. und 30. Juli) einzuziehen.
Die Teilnahme am Umleitungsturnier in den Uefa-Pokal war dem ehemaligen Coach von Hansa Rostock von Anfang an ein Dorn im Auge. Eine ordentliche Saisonvorbereitung sei auf diese Weise nicht möglich. „Eigentlich sind wir noch nicht soweit“, meint er denn auch, fragt man ihn nach dem Leistungsvermögen seiner Mannschaft. Von der Ostsee hat er sein bewährtes Spielsystem mitgebracht. Drei Spieler sollen in der Abwehr für Sicherheit sorgen, fünf im Mittelfeld gefällig kombinieren und zwei Stürmer die Tore schießen. Ob er in Hamburg aber auch die dazu qualifizierten Kicker findet, ist fraglich.
Statt auf Stars setzt Pagelsdorf auf solide Kämpfer und Grätscher. Zum Mannschaftskapitän machte er den Dauerläufer Sven Kmetsch, von dem eigentlich keiner so genau weiß, warum er im Notizblock von Berti Vogts auftauchte. Libero soll der zuletzt unter Pagelsdorfs Vorgänger Felix Magath ausgemusterte Jakob Friis-Hansen spielen. Auch im Sturm hat der schweigsame Niedersachse so seine Probleme. Karsten Bäron steht kurz vor der Sportinvalidität, André Breitenreiter droht mit 24 Jahren eine Karriere als ewiges Talent. Einzig Dirk Weetendorf, gern auch als neuer Horst Hrubesch bezeichnet, konnte in den bisherigen UI-Cup-Begegnungen durch einige bullige Aktionen überzeugen.
Das größte Sorgenkind bei den Hanseaten ist aber Rudolfo Cardoso. Pagelsdorf hält große Stücke auf den argentinischen Techniker. Der dankt es seinem Übungsleiter aber nicht und glänzt zumeist durch Lustlosigkeit und Fehlpässe. Daß ausgerechnet er den HSV aus den Tiefen des Bundesligakellers wieder in die Beletage zaubern kann, ist mehr als fraglich. Auf Frank Pagelsdorf wartet also noch eine Menge Arbeit. Selbst die Experten vom Kicker, darunter Jörg Berger und Hansi Müller, sehen für den HSV Platz 18 der Bundesliga-Tabelle voraus. „Dann haben wir wenigstens noch ein bißchen Luft nach oben“, so der lakonische Kommentar des Trainers.
Immerhin ist es im Umfeld des Klubs wieder ruhiger geworden. Seit dem Amtsantritt von Uwe Seeler als Präsident war der HSV von einem Skandal in den nächsten geschlittert. Lagerhallenweise war man auf Jutetaschen und Autopolitur in den Vereinsfarben sitzen geblieben. Die Millionen, die man für den Verkauf von Jörg Albertz von den Glasgow Rangers überwiesen bekam, investierte man statt in neue Spieler lieber in Immobilien in Ostdeutschland und riskierte ob solcher Geschäfte sogar die Gemeinnützigkeit. Bei dem Kauf soll sich auch noch der inzwischen zurückgetretene Schatzmeister Jürgen Engel über Provisionen bereichert haben. Der neue starke Mann im Präsidium heißt Werner Hackmann. Der ehemalige Hamburger Innen- und Sportsenator wurde von Seeler zum Generalmanager gemacht und löste alle Probleme mit hanseatischer Zurückhaltung und einer Menge Geld. Mit Extrainer Magath einigte man sich außergerichtlich auf 500.000 Mark Abfindung. Die dubiosen Immobilien wurden – „zum Einkaufspreis“ – an einen nicht bekannten Investor weiterverkauft, mutmaßlich jedoch an denjenigen, der sie dem HSV eingebrockt hat: Jürgen Engel.
Der eloquente Hackmann gleicht auch die anderen Unzulänglichkeiten in der Vereinsführung aus. Er kann besser reden als Uwe Seeler, versteht mehr von Management als der eigentliche Manager Bernd Wehmeyer und ist damit auf dem besten Wege, den Traditionsklub in ruhigere Gewässer zu schippern. Wenn Frank Pagelsdorf und seiner Mannschaft im sportlichen Bereich ähnliches gelingen sollte, ist mit dem HSV in einigen Jahren vielleicht doch wieder zu rechnen. Eberhard Spohd
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