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„Das Regal reicht nicht“

■ Der Countdown für die Eröffnung läuft: Im Herbst wollen die ersten vier privaten Stadtteilbibliotheken an den Start gehen / Im Viertel wurde gestern schon ausgepackt

Omas Krimi und Töchterchens Comics in schnuckeligen Bücherstübchen an jeder zweiten Straßenecke. Engagierte Mütter mit breitem Rücken enträtseln Signaturen, schleppen Bücher, kochen Tee. Und irgendwo – weit weg – fürs mobile Fachpublikum fünf Großbibliotheken mit Zeitschriften, Archiven und aktualisiertem Buchbestand.

Eine Projektion aufs Jahr 2000, die langsam Gestalt annimmt. Noch zwar ist für die neue Bremer Zentralbibliothek der Standort nicht ausgemacht, die Substruktur aber gedeiht: Vier private Bücherstuben nehmen im Herbst ihren Leihbetrieb auf.

Die Arbeit hat begonnen: Gestern im Viertel, in hellen achtzig Quadratmetern am Sielwall/Ecke Osterdeich, wurden die Kisten ausgepackt: 4.000 Bücher aus der einstigen Bibliothek Östliche Vorstadt, haben hier ihre neue Bleibe. „Andrea, das Regal reicht nicht!“. Sechs Frauen wischen Regalbretter, sortieren, stapeln, sortieren neu: „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“, „Mopo Eisenfaust“, „Der Fluß des Vergessens“.

Es ist nicht immer erste Wahl, was aus den Kisten quillt und sich auf dem Fußboden stapelt. Andrea Baldauf, die Vorsitzende des Fördervereins „STATT Bibliothek für Kinder und Jugendliche“weiß das: „Wir haben von der ehemaligen Stadtbibliothek zwar 4.000 Bücher übernehmen dürfen – aber erst als die da selber durchgegangen sind“, sagt sie. Trotzdem ist sie ganz zufrieden: „Wir haben hier in der Schule sehr viel Unterstützung gefunden“.

Auch die drei anderen Vereine, die „Buche“an der Sebaldsbrücker Heerstraße in Hemelingen, „Buch-Horn“in Horn am Vorkampsweg und der Förderverein in Blumen thal haben ihre Bleibe in Schulräumen. Die Schulleiter sind auf die Möglichkeit, mit den Bücherstuben ein bißchen was fürs Renommee zu tun, gern eingegangen: „Das hat natürlich auch was damit zu tun, daß die Schulen um Schüler konkurrieren“, erklärt Schulleiter Schnödewind. „Wir haben hier in den letzten Jahren die Orientierungsstufe von sechzehn auf acht Klassen reduzieren müssen. Deswegen können wir einen Trakt zur Verfügung stellen“. Mit der Lernwerkstatt Kunst, mit Aufnahme der Musikschule, mit einer ABM-Kraft, die hier am Nachmittag Ausländerintegration betreibt.

Und eben jetzt mit dem Bibliotheksverein. Man muß nur den „Notausgang“öffnen, und findet sich in einem versteckten Eckchen auf dem Schulhof wieder. Lauschig mit zwei kleinen runden Sitzecken und dem Spielplatz in Blickweite. Lesen als Freiraum und Schule als ein Zentrum der Nachbarschaftshilfe. Baldauf und Schnödewind finden, davon kann es im Viertel ruhig noch eins geben.

Auch Erika Huxhold, die Pressesprecherin von Bildungssenatorin Kahrs (SPD), findet das sehr schön. Daß die Schulbehörde für diese Entlastung ihres Bildungsauftrags Unterrichtsstunden freisetzt und Lehrer zur Beaufsichtigung der Bücherstuben freistellt, hält sie aber für ausgeschlossen. Sie will die Sache eher niedrigschwellig ansetzen: „Das sind ehrenamtliche Menschen, die Bücherstuben machen“, sagt sie – für ein bißchen Unterhaltung, den Spaß am Lesen und die Lust am Miteinander-Quatschen. Bremen goes Kommunitarismus? „Ach, die Deutschen haben doch immer schon gerne Vereine gegründet“. Die Fördervereine hingegen betonen gern auch professionelle Ansprüche: „Einige von uns kommen aus dem Buchhandel“, sagt Karola Jamnick-Stellmach vom Förderverein „Buch-Horn“. „Mit Helmut Schmidts neuestem Werk, mit ,Sofies Welt' oder ,Hannahs Töchtern' sind wir jetzt schon so aktuell wie keine Stadtbücherei“. äff

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