■ Vorschlag
: Karsten Konrads zugemauerter Pavillon vor der Volksbühne

Seit einiger Zeit schon werden in dem kleinen Pavillon vor der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Ausstellungen veranstaltet. Doch keiner der Künstler, die bisher ihre Arbeiten hier präsentiert haben, ist mit diesem Raum so radikal umgegangen wie der 35jährige Berliner Karsten Konrad: Er hat ihn einfach zugemauert.

Das heißt, ganz so einfach liegt der Fall dann doch nicht. Nähert man sich dem Kiosk, hört man von innen Klänge, die an rhythmisch an- und abschwellende Maschinengeräusche erinnern. Es ist eine Minimal-Music-Komposition von Elian Radigue aus dem Jahr 1974. Damit nicht genug: Zwischen den Wänden, die Konrad eingezogen hat, und dem Boden ist ein schmaler Spalt ausgespart. Aus diesem Spalt heraus – am besten sieht man es während der Dämmerung – leuchtet tiefblaues, merkwürdig unwirkliches Licht. Seitlich neben dem Pavillon liegen außerdem ein paar riesige, aufgeblasene Gummischläuche, Schwimminseln, wie man sie aus dem Freibad kennt.

Ein seltsames Ensemble: Der Kiosk ist kein Kiosk mehr, zu dem Stampfen der Maschine fehlt der Apparat, und das bläuliche Licht bewirkt, daß man glaubt, der ganze Pavillon hänge in der Luft. „Poelzigs Hovercraft“ hat Karsten Konrad die Arbeit genannt. Der Berliner Architekt Hans Poelzig (1869-1936) war einer der herausragenden Protagonisten des expressionistischen Baustils, ein Einzelgänger, der jedoch nicht nur phantastische, die Sinne verwirrende Architekturen entwarf, sondern sich auch im sozialen Wohnungsbau betätigte. Die Häuserzeile gegenüber von Volksbühne und Pavillon, in der sich auch das Kino Babylon befindet, stammt von ihm.

Auch der britisch-französische Hovercraft stand einmal für einen Sonderweg der Avantgarde, der inzwischen leichte Patina angesetzt hat. Zwar galt das Luftkissenboot in den siebziger Jahren als technische Sensation, die Revolution des Personenverkehrs zwischen Britischen Inseln und europäischem Festland gelang ihm dann aber doch nicht richtig. So ergeben sich aus dem Puzzle von Sinn und Unsinn, von historischen Verweisen und reiner Anschauung verschiedene Interpretationen. Eine davon ist die der paradoxen Verwandlung: Was einmal schwer war, schwebt nun. Nicht das schlechteste Thema, hier mitten in der Stadt. Ulrich Clewing

Bis 5.8., Pavillon an der Volksbühne, Rosa-Luxemburg-Platz. Am 24.7. wird vor dem Pavillon der Film „Der Golem“ aufgeführt, dessen Ausstattung von Hans Poelzig entworfen wurde.