: Nölle schweigt über Insiderwissen
■ Bundesaufsichtsamt für Wertpapierhandel stellt die Ermittlungen um den Anstieg der Vulkan-Aktien ein / Neues Verfahren gibt es nur, wenn Nölle den angeblichen Vulkan-Käufer präsentiert
Die Ankündigungen von Finanzsenator Ulrich Nölle (CDU), er habe einen Vulkan-Käufer an der Hand, bleiben ohne rechtliche Konsequenzen. Jedenfalls so lange, wie Nölle den Interessenten nicht selbst ausplappert. Dem Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel in Frankfurt/Main war es jedenfalls nicht möglich, einen solchen Käufer zu ermitteln. Darum haben die Bundesprüfer die Untersuchungen wegen der Kurssprünge der Vulkan-Aktie jetzt eingestellt.
Die Begründung dafür liegt auf der Hand: „Da wir keinen potentiellen Käufer für den Vulkan kennen“, so der Sprecher des Bundesamtes Jürgen Oberfrank, „kann Ende April auch nicht unerlaubt preisgegebenes Insiderwissen über den Vulkan zum Anstieg der Aktie geführt haben. Im Sinne des Wertpapiergesetzes liegt damit kein Vergehen vor.“
Wenn es aber niemals einen Kaufinteressenten für den Vulkan gegeben hat, könnte sich Finanzsenator Nölle mit seiner gegenteiligen Ankündigung über einen Interessenten nach Paragraph 88 des Börsengesetzes strafbar gemacht haben – wegen falscher Angaben zur Bewertung von Wertpapieren. Dies wäre ein Fall für den Staatsanwalt.
Das wiederum verhindert Nölle aber höchstpersönlich. Sein Sprecher Thomas Diehl sagte gestern: „Wir bestätigen erneut, daß es einen potentiellen Käufer – einen Industriekonzern – gegeben hat. Die Verhandlungen haben sich aber nicht konkretisiert.“Resultat: Die Frankfurter Bundesprüfer stehen zwar wieder am Anfang ihrer Ermittlungen. Dennoch wird es keine konkreten Auswirkungen für Nölle geben. Oberfrank: „Entscheidend für ein Verfahren wegen Insiderwissens ist nicht allein der Aktienkurs, sondern auch der Inhalt der Insiderinformation. Wir müßten also den potentiellen Vulkan-Käufer kennen, um den Wert der Information einschätzen zu können.“Grund: Zwischen einem Käufer, der am Vulkan-Standort wieder unternehmerisch tätig werden will, und einem Interessenten, der den Werften-Verbund nur abschreiben will, besteht ein riesiger Unterschied. Solange Nölle den Namen aber nicht auf dem Silbertablett präsentiert, wird sich nichts tun.
Anlaß für die Vor-Ermittlungen des Bundesaufsichtsamtes waren Äußerungen von Nölle am 24. April dieses Jahres. Beim traditionellen Beck's-Bockbier-Anstich hatte er erzählt: „Ein deutsches Industrieunternehmen prüft derzeit, ob es den ehemals vielverzweigten Konzern übernehmen will. Wir stehen am Beginn von Verhandlungen.“
Nach dem Wertpapierhandelsgesetz dürfen aber aktienkurs-relevante Insiderinformationen nicht an Dritte weitergegeben werden. Wer es trotzdem tut, macht sich strafbar. Und daß die Nölleschen Informationen offensichtlich aktienkurs-relevant waren, zeigt der Kursverlauf der Vulkan-Aktie nach den Äußerungen des Finanzsenators (wir berichteten). Einige Börsen-Junkies mißbrauchten sie offenbar für Spekulationen, bevor sie veröffentlicht wurden. Resultat: Der Vulkan-Kassa-Kurs stieg binnen vier Tagen von 2,70 Mark auf 9,90 Mark. Bei fast 200 Prozent Spekulationsgewinn sackte der Kurs kurz darauf wieder auf sechs Mark ab. Gestern lag er bei 4,25 Mark.
Auch die Summe der gehandelten Vulkan-Aktien spricht Bände. Nach Angaben der Bremer Wertpapierbörse wurden seit Nölles Ankündigung Ende April bis heute insgesamt 1.854.337 Vulkan-Aktien gehandelt. In den drei Monaten vom 25. Januar bis zum 25. April waren es lediglich 90.660 gehandelte Wertpapiere des Werften-Verbundes. Jens Tittmann
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