: „Ich gehe mit dem Rasen ins Bett!“
■ Herbert Fahrenholz kreiert das „bespielbare Gesamtkunstwerk“/ Er ist der Rasen-Guru des Weser-Stadions
s tut ihm weh, wenn sie mal wieder alle auf seinem Kunstwerk herumtrampeln, Teile herausreißen und unflätig draufspucken. Dann muß er wieder von vorne anfangen, der Herbert Fahrenholz. In mühsamer Kleinarbeit flickt er das Chaos wieder zusammen, hegt und pflegt es inzwischen seit fünf Jahren – bis die Horden wieder einfallen und alles kaputtmachen. „Aber eines Tages werde ich es schaffen“, schwört Herbert Fahrenholz. „Dann habe ich das Kunstwerk vollendet.“
7.500 Quadratmeter groß ist sein Werk. Damit dürfte es das größte Artefakt in ganz Bremen sein. Und es ist mit Sicherheit das Schönste – zumindest in seiner Klasse. Gestochen scharfe Linien durchbrechen das saftige Grün, eine perfekte Ebene bildet den Untergrund. Die Kanten sind eine Zierde und „runden“das Gesamt-Ensemble perfekt ab. Darauf kann er schon stolz sein, der Herbert Fahrenholz.
Ist er aber nicht! „Dahinten an der Längsgeraden, die hellen Flecke. Die müssen noch weg“, sagt er grimmig. „Und der Untergrund – Zweiter Weltkrieg sage ich nur. Da liegt noch Schutt und alles mögliche andere drin.“Keine gute Voraussetzung für den Künstler – den „Rasen-Guru“im Weser-Stadion –, sein Lebenswerk zu vollenden. „Wir haben hier keinen richtigen Mutterboden“, sagt der Vater des heiligen Bremer Rasens. „Da muß man viel tricksen für das richtige Kleinklima zwischen den Halmen.“Wie, will er nicht verraten. Das gibt er irgendwann mal seinem Nachfolger weiter. Mit Sicherheit aber nicht den Mitkünstlern aus Bayern oder Dortmund.
„In München gibt es eine Drainage, Rasenheizung, vernünftigen Boden und und und. Das würde mir nicht soviel Spaß machen. Man wächst doch an seinen Problemen“, sinniert er. „Das hier, das hier ist richtige Kultur. Und das wissen die auch beim Verein. Der Otto Rehhagel, der hat mit mir viel über den Rasen geredet. Das war dem sehr, sehr wichtig. Dem Dixie Dörner aber auch. Und dem Ollie Reck. Wir stimmen uns häufig ab. Der braucht einen relativ harten Boden, der Olliver, wegen der Standfestigkeit. Daran arbeiten wir oft noch bis kurz vor dem Spiel“, berichtet Herbert Fahrenholz.
Dafür hört er sogar den Wetterbericht vor den Spielen. Vor allem wenn Regen droht, kommt auf seine Jungs Arbeit zu. Dann wird der heilige Rasen „aerifiziert“. 30 Zentimeter tief wird der Untergrund aufgelockert. 30 Löcher pro Quadratmeter werden in das Kunstwerk getrieben, je ein Zentimeter im Umfang. „Das sind schon eine ganze Menge Löcher, wo der Regen ablaufen kann“, beteuert Herbert Fahrenholz. „Für uns gilt nur: Zum Spiel muß der Rasen topfit sein.“
Bis dahin ist es aber weit. Die Mühsal des Künstlerdaseins im Weser-Stadion beginnt nach jedem Spiel. Jeder Stollenabdruck will von Hand an seine alte Stelle zurückgedrückt werden. Da, wo ganze Placken fehlen, verarztet Herbert Fahrenholz „seinen Rasen“(„zu Hause habe ich nicht einen Quadratmeter im Garten“) mit Soden. „Aber nicht mit Rasenmatten. Nicht auszudenken, wenn der Ollie Reck mit den Stollen in dem Netz darunter hängenbliebe. Oder der Gegner. Dann wären wir dran.“
Überhaupt will der Naturrasen – Kunstrasen gibt's in keinem Bundesliga-Stadion mehr – gehegt und gepflegt werden. Dreimal die Woche schwingen sich die Jungs von Herbert Fahrenholz auf den Mäher und schneiden – vier Stunden lang. Auch das ist eine Kunst: „Man muß darauf achten, immer mal wieder in andere Richtungen zu fahren. „Sonst gibt es Wellen im Untergrund, und der Olli Reck muß mit den Aufsetzern kämpfen.“Mal wird längs, vor den Spielen dann meist in der gewohnten Querrichtung gemäht. „Das hilft dann dem Schiedsrichter beim Abseits“, erzählt Herbert Fahrenholz. Dafür braucht's aber auch ein genaues Auge. „Es ist ziemlich schwierig, geradeaus zu mähen. Kleine Bogen lassen sich kaum vermeiden. Das sieht aber von der Tribüne ziemlich dämlich aus. Also geben wir uns vor den Spielen immer besonders viel Mühe.“
Herbert Fahrenholz ist zudem Anhänger des klassichen Mähens. „Natürlich kann man auch Kreise oder sogar den Namen vom Sponsor einmähen. Das kann man aber auch genauso mit Rasenfarbe machen“, verrät er. Eben mit der Farbe, mit der auch die Linien gezogen werden. „Die müssen auch ganz genau sitzen. Sonst nimmt der Schiedsrichter den Platz nicht ab. Oder wir müssen kurz vor Anpfiff noch den Elfmeter-Punkt ummalen. Hat's alles schon gegeben.“Bei soviel künstlerischer Verantwortung hat er dann auch schon mal Lampenfieber. „Vor dem Länderspiel war das so.“
Im Moment ist Herbert Fahrenholz mal wieder guter Dinge, sein Kunstwerk zu vollenden. „Wie gesagt, nur noch die Flecken..“Und dann können sie wieder kommen, die Banausen, die Fußballspieler, und das „bespielbare Gesamt-Kunstwerk“wieder mit Füßen treten und bespucken. Herbert Fahrenholz macht das „fast“nichts. Er hat sie in sein Herz geschlossen. „Jetzt müssen sie nur noch gewinnen auf dem guten Rasen“, fordert er. Jens Tittmann
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