piwik no script img

Starterlaubnis für die Fusion

US-Flugzeugbauer Boeing lenkte in letzter Minute gegenüber der EU-Kommission ein. Erhebliche Zugeständnisse bei Exklusivverträgen  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Der Handelskrieg findet nicht statt. Nachdem der US-Flugzeughersteller Boeing in letzter Minute beachtliche Zugeständnisse gemacht hatte, änderte die EU-Kommission ihre Meinung. Man stehe der Fusion von Boeing und McDonnell Douglas „im Prinzip positiv“ gegenüber, sagte der Wettbewerbskommissar Karel van Miert gestern in Brüssel.

Noch wenige Stunden vorher gab sich van Miert entschlossen, den Zusammenschluß als illegal einzustufen, weil die neue Firma auch in Europa eine marktbeherrschende Stellung einnehmen würde. Die Begründung war bereits geschrieben, Experten in Brüssel arbeiteten bereits an möglichen Sanktionen gegen Boeing. In Washington wurden Listen mit denkbaren Gegenmaßnahmen bis hin zu Strafzöllen für europäische Einfuhren aufgestellt.

Am Dienstag abend kam dann überraschend die Nachricht: Boeing sei bereit, auf die wichtigsten Bedingungen der EU-Kommission einzugehen. So will Boeing die langfristigen Exklusivverträge mit Continental, American Airlines und Delta-Airlines wieder kündigen. Die Verträge hätten die Fluggesellschaften 20 Jahre verpflichtet, nur bei Boeing einzukaufen. Außerdem stimmte Boeing der Forderung zu, der EU-Kommission künftig Einsicht in ihre Geschäftsbeziehungen zu geben, damit diese kontrollieren kann, ob der Konzern seine marktbeherrschende Position wettbewerbshindernd mißbraucht. Und zum dritten verpflichtet sich Boeing, flugtechnische Entwicklungen, die durch militärische Forschungshilfen des Pentagons zustande kommen, gegen Lizenzgebühren auch anderen Wettbewerbern zur Verfügung zu stellen. Denn das von Boeing geschluckte Unternehmen McDonnell Douglas lebt vorwiegend von militärischen Aufträgen. Die EU-Kommission hatte deshalb befürchtet, Boeing werde die staatlich subventionierten Entwicklungen aus dem militärischen Bereich als Wettbewerbsvorteil im zivilen Flugzeugbau ausnutzen.

„Mit großer Befriedigung“ habe die EU-Kommission die Zugeständnisse zur Kenntnis genommen, sagte van Miert. Er habe den anderen 19 Kommissaren empfohlen, der Fusion nun zuzustimmen, trotz einiger Bedenken. Vor allem die beiden französischen Kommissare standen offenbar unter dem Druck der Regierung in Paris, die den Zusammenschluß gerne verhindert hätte, um die Marktchancen des europäischen Joint-venture-Betriebs Airbus zu verbessern. Dennoch ist zu erwarten, daß nach der positiven Kommissionsentscheidung in den nächsten Tagen auch der beratende Ausschuß, in dem Vertreter der 15 EU-Regierungen sitzen, grünes Licht gibt.

Nachdem die US-Kartellbehörde Federal Trade Commission (FTC) den Zusammenschluß genehmigt hatte, erschien der Einspruch aus Brüssel vielen wie ein Aufstand der Zwerge gegen Goliath. Man wolle „keinen Handelskrieg“ mit den USA, meinte etwa der deutsche Außenminister Klaus Kinkel. Unter dem Eindruck der Entschlossenheit, mit der van Miert seine Bedingungen vorbrachte, hat auch die US-Regierung auf Boeing eingewirkt, den Forderungen aus Brüssel entgegenzukommen. Van Miert rühmte die Solidarität der Mitgliedsländer. Obwohl eine Reihe nationaler Minister von der US-Regierung massiv bearbeitet worden sei, hätten ihn die Regierungen weitgehend in Ruhe verhandeln lassen. „Ein einzelnes Land hätte nichts erreicht“, nur gemeinsam hätte man Washington Paroli bieten können.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen