Aus Versehen gegen Voscherau

■ Wiegand (FDP) gegen SPD-Hetze a la Haider, Homophobie a la Handelskammer und Wirtschaftspolitik a la Rittershaus

Frank-Michael Wiegand ist entrüstet. Gerhard Schröders Äußerungen zu kriminellen Ausländern – „Raus, und zwar schnell!“– erinnern Hamburgs FDP-Spitzenkandidaten „an Jörg Haider, nicht an Tony Blair“. Gilt das auch für Bürgermeister Henning Voscherau (SPD), der sich lange vor Schröder inhaltsgleich äußerte? Der Liberale verneint: „Voscherau drückt sich differenzierter aus.“(Abendblatt, 5.5.97: Ausländische Straftäter sollen abgeschoben werden statt „die Knäste zu verstopfen“.)

Abschiebung ja, so Wiegand, aber erst nach Absitzen der Strafe, sonst kämen etwa Drogen-Mafiosi „nach einer Woche mit gefälschten Papieren wieder hierher“. Nur wenn die Strafverbüßung im Heimatland gesichert sei, käme Zwangsrückkehr in Frage. Ausdrücklich ausgenommen: Migrantenkinder. „Da darf keiner auf die Idee kommen, die rauszuwerfen.“Gegen den liberalen Strich geht dem FDP-Spitzenmann allerdings Voscheraus Ruf nach dem Obrigkeitsstaat. „Das ist ein Unding und stellt den Rechtsstaat in Frage.“

Einig mit dem Bürgermeister weiß Wiegand sich hingegen in Sachen „Verwahrlosung“der „Visitenkarten“: Hauptbahnhof und City mit Drogenszene und Bettlern. Wie genau das Vollwaschprogramm funktionieren soll, will Wiegand den Fachpolitikern überlassen. Die lesbischwule Christopher-Street-Day-Parade und andere Demos aus der Innenstadt zu verbannen, wie die Handelskammer fordert, finde allerdings nicht seine Zustimmung.

In der Wirtschaftspolitik hat sich Wahlkämpfer Wiegand vor allem auf die Hauptkonkurrenten, die Statt Partei und ihren Wirtschaftssenator Erhard Rittershaus (parteilos), eingeschossen. Rittershaus „macht viel Wind, aber bewegt wenig“. Mit einer liberalen Regierungsbeteiligung würde der „zahnlose Tiger“Wirtschaftsbehörde um den Bereich Verkehr („Korrektur der autofeindlichen Verkehrspolitik“) und Arbeit („Förderung der Selbständigkeit“) erweitert. Die Stadtentwicklunsgbehörde fiele der Baubehörde zu.

Ein Dorn im Auge ist Wiegand der Teilverkauf der Landesbank nach Kiel. „Hamburg wird zunehmend fremdbestimmt“, rutsche „auf Provinzniveau ab“und sei nur noch „die verlängerte Werkbank“irgendwelcher Firmen außerhalb der Hansestadt“. Auf die Milliarde, die Kiel für die Landesbank mehr zahlte als die Haspa, hätte Wiegand jedoch „in dieser haushaltspolitischen Situation“auch nicht verzichtet. Der Senat hätte eben nicht warten sollen, bis ihm das Wasser bis zum Hals steht. Silke Mertins