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Duften, nicht gasen

Ob Rittersporn, Ochsenzunge oder Schafgarbe: Biologisch angebaute Schnittblumen schmücken, ohne zu verpesten  ■ Von Sabine Schrader

Rosentulpennelken kommen bei Christina Schuster nicht in die Vase. In ihrem Wildgarten im Wendländer Gördehof Glieneitz wuchern verschiedenfarbige Plusternelken, blau-violette Ochsenzungen und Königskerzen in ihrer gelben Blütenpracht. Auch die rosafarbige, kastanienähnliche Blüte des Muskatellersalbeis und das Leinkraut – sonst nur als Unkraut am Wegesrand bekannt – wächst hier in gar nicht gerader Reihe.

Spätestens ab Mai verkauft die Wendländerin die ersten kunstvoll mit Gräsern gebundenen Sträuße, die bis Oktober auf der Angebotsliste des Biohofes stehen. Alle diese Blumen, die ohne besondere Pflege aus Unkrautsamen sprießen, riechen übrigens stark. Aus reinem Egoismus, denn so werden Hummeln und Bienen angezogen, die für die Befruchtung sorgen.

Uwe Behnken baut seit 1992 in seiner Bioland-Gärtnerei Sonnen- und Ringelblumen oder Statitien an. „Alles, was in der Natur ohne Spritz- und Düngemittel wächst.“Früher betrieb die Familie eine ganz konventionelle Blumenzucht, doch „als die Kinder da waren, wollten wir keine Pestizide mehr auf den Hof haben.“Allein mit Bio-Blumen allerdings ließ sich die Existenz nicht sichern. Heute wird auf einem Hektar Gemüse angebaut, auf einem Hektar blüht es.

Heimische Schnittblumen stehen hoch im Kurs: Pflanzen zum Abgabepreis von 72 Millionen Mark – hauptsächlich aus den Vier- und Marschlanden – wurden 1996 auf dem Hamburger Blumengroßmarkt vertrieben. Mit insgesamt 68 Millionen schlugen ausländische Schnittblumen zu Buche. Spitzenlieferant ist Holland (45 Millionen), doch der schickt nicht nur Tulpen aus Amsterdam: Die Flora wurde häufig bereits aus Drittländern eingeflogen – aus Kolumbien etwa oder aus Kenia. Beide Länder sind in Verruf geraten: Zum einen, weil die BlumenarbeiterInnen – fast ausschließlich Frauen – für Löhne arbeiten, die weit unter der Armutsgrenze liegen. Zum anderen durch den unkontrollierten Einsatz hochgiftiger Pestizide, die die Gesundheit der Frauen gefährlich schädigen.

Und unter Umständen auch die deutschen Stuben verpesten. „Wer sich im Winter Schnittblumen auf den Tisch stellt, hat damit im schlimmsten Fall sogar DDT-Rückstände eingekauft“, sagt Uwe Behnken. Doch viele KäuferInnen läßt das kalt. „Traurigerweise registrieren 90 Prozent meiner KundInnen nicht, daß sie biologisch angebaute Blumen kaufen“, ärgert sich Behnken. Er hält die Bestimmungen für den Einsatz von Chemie beim Blumenanbau generell für viel zu lasch.

Es geht schließlich auch ohne: Um Krankheiten vorzubeugen, werden die Pflanzen mit Kräuterauszügen, beispielsweise aus Schachtelhalm, gestärkt. Gewässert werden die Blumen mit aufgefangenem Regenwasser, Schädlingsbefall begegnen die Bioblumen-Züchter, indem sie in größeren Abständen anpflanzen. Gegenwärtig arbeitet der Bioland-Verband Richtlinien aus, die analog dem Gemüseanbau für die Produktion der biologisch gehegten Blumen gelten sollen.

„Einige meiner Kunden stellen nur noch biologisch angebaute Schnittblumen in die Vase, weil sie auf gespritzte mit Allergien reagieren“, erzählt Berndt Kolbe. Der Informatiker und Drogenberater hat den elterlichen Hof in Altengamme übernommen und ist seit gut einem Jahr Öko-Gärtner. Von der 0,5 Hektar großen Ackerfläche werden 3000 Quadratmeter für den organisch-biologischen Anbau von frühjährlichen Stiefmütterchen oder Narzissen genutzt, im Sommer verkauft Kolbe auf dem Wochenmarkt Kalendula und Rittersporn, Löwenmäulchen oder Schafgarbe.

Im Frühjahr hat er erstamls Tulpenzwiebeln aus Holland von einem Demeter-Betrieb einkaufen können. „Die Holländer sind mit der ökologischen Blumenzucht schon weiter“, sagt Kolbe bewundernd.

Göhrdehof Glieneitz, 29499 Zernien, OT Glieneitz Nr. 3, 05863-366

Behnken's-Vierländer Gemüsestand, Süderquerweg 224, 21037 Hamburg, % 723 83 91.

Ingetraud Harden und Bernd Kolbe, Altengammer Hausdeich 30, 21039 Hamburg, % 723 62 27

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