Bandoneons schmatzen nicht

■ Seit 55 Jahren spielt das „Sexteto Mayor“argentinischen Tango – begeistert, sehnsüchtig und „besonders gerne in Deutschland“. Mit der Revue „Tango Pasión“gastieren sie in Hamburg

Einpacken und mitnehmen möchte man die Herren, mitsamt ihren Bandoneons und Violinen. Die acht Musiker spielen die Tangos von Discépolo bis Piazolla mit einer solchen Hingabe, daß man wünscht, sie würden nie wieder aufhören – oder im eigenen Wohnzimmer weitermachen. Vor allem José Libertella bearbeitet sein Bandoneon mit übersprühendem Enthusiasmus. Der äußert sich in kleinen, die sehnsüchtigen Melodien begleitenden Schmatzgeräuschen: Der 64jährige Argentinier kommuniziert geradezu mit dem Instrument, das er schon seit 55 Jahren kennt, spielt und liebt.

Noch bis zum 10. August ist das Sexteto Mayor mit der Revue „Tango Pasión“in der Hamburger Musikhalle zu sehen. Zwei Gastmusiker begleiten das Ensemble. Das Sexteto wurde 1973 im Haus des legendären Tangosängers Carlos Gardel gegründet. Seitdem haben die Künstler zahlreiche Platten aufgenommen und in der ganzen Welt Konzerte gegeben. Mit Arrangements seiner Gründer Luis Stazo und José Libertella hat das Sexteto fast alle klassischen Tangos im Repertoire, ergänzt durch moderne Werke von Astor Piazolla.

In Deutschland spielt die Gruppe gern und häufig. „Das deutsche Publikum ist reif genug, um die Musik auch ohne Tanz zu genießen“, sagt José Libertella. 1981 kamen die Künstler zum ersten Mal nach Europa. Sie weihten in Paris, der zweiten Heimat vieler Tangueros, die Tango-Bar „Le Trottoir de Buenos Aires“ein. Seitdem sind die Argentinier ständig unterwegs und nur selten in Buenos Aires, der Geburtsstadt des Tangos und der Musiker selbst. Im vergangenen Jahr waren sie nur 65 Tage in der argentinischen Hafenstadt. „Das hat auch sein Gutes“, sagt Libertella lächelnd. „Es gibt für alles seine Zeit. Eine Zeit zum Arbeiten und eine andere zum Ausruhen. Und wir, wir warten auf – ach, ich weiß gar nicht, ob wir auf eine Zeit zum Ausruhen warten. Ein altes Sprichwort sagt: Sich zum Ausruhen zurückziehen, heißt, sich auf den Tod vorbereiten.“

Das wollen die Musiker auch nach 55 Jahren Tango nicht: Sie hoffen, „wenn Gott will“, in einem Jahr mit dem Sexteto „Silberhochzeit“zu feiern. „Wir sind zwar nicht wirklich verheiratet, aber das ist eine lange Zeit für eine Gruppe. Um so weit zu kommen, braucht man viel Lust zum Arbeiten, viel Verständnis und ein bißchen Reife.“

So wie die Musiker auf der Bühne lustvoll, fast wie in Trance, ihre Bandoneons bearbeiten, sind sie auch im Gespräch. Voller Lebenskraft und argentinischer Leichtigkeit. Angeregt gestikulierend oder schlitzohrig witzelnd geht es immer nur um das eine: den Tango. Die Sehnsucht nach ihrer Heimatstadt am Rio de la Plata nehmen sie pragmatisch. „Der Grund, warum wir so lange außerhalb Argentiniens sind, ist, daß der Tango so viel Erfolg hat. Sobald die Mißerfolge anfangen, kommen wir wieder nach Hause“, meint Stazo.

Wie gelingt es den Männern, nach 55 Jahren mit einer solchen Leidenschaft zu spielen? José Libertella erklärt: „Wir fühlen uns als Tangueros wie Vertreter unseres Landes. Der Tango ist unser Zuhause, und das möchten wir der ganzen Welt zeigen.“Wer gesehen hat, wie die Künstler in die Tasten ihrer Instrumente hauen, weiß, daß Libertella nicht übertreibt. Die Männer leben für den Tango. Sie wollen ihn wieder so populär machen, wie er es bis zum Zweiten Weltkrieg war. Daß die 1880 in den Bordellen von Buenos Aires geborene Musik nun auf beleuchteten Bühnen stattfindet, ist für Libertella und Stazo kein Widerspruch. „Die Musik und auch die Texte der Tangos haben sich mit der Zeit sehr verändert“, erklärt José Libertella. „Wir haben, seit wir denken können, gespielt, damit andere tanzen können.“

Katja Fiedler

Tango Pasión in der Musikhalle verlängert bis zum 10. August, Di-So, jeweils 20 Uhr