: Tausende nach neuem Deichbruch evakuiert
■ Weil immer mehr Dammabschnitte wegbrechen, droht das Tiefland an der Oder völlig überschwemmt zu werden. Hilfsprogramm gefordert, Gerüchteküche brodelt
Frankfurt an der Oder (AP/rtr/dpa) – Im Hochwassergebiet in Brandenburg drohte am Freitag nun auch dem Oderbruch eine Katastrophe. Der Krisenstab ließ 17 Orte mit insgesamt rund 5.000 Bewohnern evakuieren, weil ein Deich bei Hohenwutzen schon stark ausgehöhlt war. Weitere 2.800 mußten bei Eisenhüttenstadt das schon im Laufe der Woche überflutete Gebiet verlassen. Dort, in der Ziltendorfer Niederung, steht das Wasser bis zu fünf Meter hoch in den Dörfern.
Das tiefliegende Oderbruch könnte binnen drei bis vier Stunden vollaufen. Wenn die gesamte Senke überflutet würde, müßten bis zu 19.000 Menschen ihre Häuser verlassen. Ein Sprecher sagte, die Räumung laufe problemlos, weil jetzt offenbar alle den Ernst der Lage begriffen hätten. Soldaten und Helfer versuchten mit Unterstützung von Hubschraubern, einen Durchbruch des Wassers zu verhindern. Im Krisenstab in Potsdam wurden die Chancen aber skeptisch beurteilt. Die Bundeswehr hatte bis gestern 8.300 Helfer in die Hochwassergebiete geschickt – nach eigenen Angaben ihr größter Katastropheneinsatz seit der verheerenden Sturmflut an der Nordsee von 1962. Bundeswehrpioniere versuchten auch an der Alten Oder, etwa zehn Kilometer vom heutigen Oderlauf entfernt, mit Sand eine zweite Deichlinie aufzubauen. Ein ähnlicher Versuch war bei Eisenhüttenstadt gescheitert.
Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) forderte ein Sonderprogramm zum Wiederaufbau der Oder-Region unter Mitwirkung von Bund und Europäischer Union. Mit Benefizkonzerten wollen Musiker Geld für die von der Flutkatastrophe am meisten betroffenen Dörfer, Aurith in Brandenburg, Troubky in Tschechien und Miedzylesie in Polen, sammeln. Auftakt der Konzertreihe ist am 2. August im Berliner Dom. Weitere Konzerte soll es in Domen in ganz Deutschland geben, teilten die Veranstalter am Freitag in Berlin mit.
In den überschwemmten Gebieten brodelt unterdessen die Gerüchteküche: Wenn die Dörfer evakuiert seien, kämen aus Polen Diebesbanden mit Booten über die Oder, hieß es im Neiße-Örtchen Ratzdorf. „Bei der Fließgeschwindigkeit der Oder müßte man in Österreich ins Wasser gehen, um in Ratzdorf anzukommen“, kommentierte das ein Krisenstäbler in Potsdam. Beamte des Bundesgrenzschutzes und Polizisten streifen aber Tag und Nacht herum, um das Eigentum der Bewohner zu sichern, hieß es am Freitag beim BGS. Das flache Land sei in der Nacht mit Infrarotgeräten beobachtet worden. Sie werden normalerweise zur Suche nach illegal über die deutsch-polnische Grenze eingeschleusten Ausländern verwendet. Es habe „bislang keine Vorkommnisse gegeben“. Bericht Seite 6
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