: 16 Stunden am Tag im Einsatz
■ Andreas Schönstein vom THW Bremen-Nord über seinen Einsatz im Krisengebiet an der Oder /Bevölkerung beschimpft die Helfer und will ihre Häuser nicht verlassen
Am vergangenen Montag wurden die ersten zehn Helfer des Bremer Technischen Hilfswerks (THW) an die Oder geschickt. Inzwischen sind 500 THWler aus Bremen und Niedersachsen im Einsatz. Andreas Schönstein (25) aus Bremen-Nord war einer der ersten. Seit vorgestern ist er wieder in Bremen.
taz: Herr Schönstein, haben Sie gut geschlafen?
Schönstein: Und wie. Sechs Nächte in einer Turnhalle schlauchen ganz schön. Außerdem waren wir zum Schluß sechzehn Stunden am Tag im Einsatz. Danach freut man sich auf das eigene Bett.
Wo war ihr Einsatzgebiet?
Zunächst in Frankfurt. Später wurden wir nach Eisenhüttenstadt abgezogen. Dort haben wir Sandsäcke gefüllt und die Deiche verstärkt – so, wie man das im Fernsehen sieht.
Hatten Sie Kontakte zur Bevölkerung?
Nur im Oderbruch, in Neuwurzen. Die waren aber nicht sehr erfreulich. Wir waren praktisch bewegungsunfähig, weil unsere Autos zu groß waren, um den Deich noch zu passieren. Da mußten wir uns Unverschämtheiten anhören – nach dem Motto, wir würden nur nutzlos herumstehen. Manche von uns mußten sich ziemlich zurückhalten, um sich nicht fürchterlich aufzuregen.
Im Fernsehen wird der Eindruck vermittelt, viele Leute würden lieber absaufen als ihre Häuser verlassen...
Ich denke, das wird etwas übertrieben. Die Situation ist tatsächlich sehr bedrohlich und viele haben große Angst. Einmal bin ich bei einer Familie auf die Toilette gegangen, die mich mit angsterfüllten Augen anguckte und wissen wollte, wie die Lage denn nun wirklich sei, ob der Deich halten werde, wie es im Nachbardorf aussehe und so weiter. Selbst vor Ort gehen die Informationen sehr durcheinander. Viele stehen auch Tag und Nacht auf der Straße und schippen oder verteilen heiße Suppe.
Aber die Gegend muß doch schon völlig überbevölkert sein angesichts der vielen Helfer.
Das ist auch so – nur reicht es leider trotzdem nicht. Aber die Szenerie in Eisenhüttenstadt ist schon skurril. Da fungiert ein gigantischer Platz als Sammelstelle für Sand und Holz. Dort stehen Hunderte Helfer unter den Augen von tausend Schaulustigen Tag und Nacht und füllen Sand in die Säcke. Ständig kommen Hubschrauber angeflogen, stoppen zwei Meter über der Erde, nehmen mit einem Haken die Sandsäcke auf und fliegen in das Krisengebiet. Dort sind vermutlich mehr Bundeswehr- und THW-Autos unterwegs als Privatfahrzeuge.
Wie schätzen Sie die Lage ein? Ist das Schlimmste überstanden?
Schwer zu sagen. Es ist wohl so, daß ein paar Dörfer quasi geopfert werden mußten, um Schlimmeres zu verhindern. Nur so kann der Oderbruch oder auch Frankfurt geschützt werden.
Mit ihrer Bereitschaft, sieben Jahre lang dem THW als ehrenamtlicher Helfer zur Verfügung zu stehen, sind Sie der Bundeswehr entgangen. Was kommt als nächstes?
Es ist gut möglich, daß ich zu den Aufräumarbeiten noch einmal nach Brandenburg fahre. Bei denen wird das THW sicher sehr gefragt, weil die Bundeswehr sich zurückziehen wird. Hier in Bremen machen wir eher langweilige Sachen: Bäume fällen, auf Kinderfesten Schaukeln aufbauen. Dagegen war der Oder-Einsatz sehr spannend.
Interview:jago
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