■ Vorschlag: Salopp zusammengescherzt: „Was ihr wollt“ open air im Hexenkessel
Open-air-Veranstaltungen sind in unseren Breitengraden ein Vabanquespiel. Am Premierenabend begann es denn auch pünktlich zum Aufführungsbeginn leicht zu regnen. Die Zuschauer im zweiten Hinterhof des ehemals besetzten „Hexenkessel“-Hauses in Prenzlauer Berg blieben dennoch trocken: Die großen Bäume ringsum bilden ein schützendes Blätterdach und sind zugleich Teil der Ausstattung, weil sich auf ihnen turnen, sitzen und spielen läßt. Natürlich gehören sie auch zum besonderen morbiden Charme des Ortes. Zwischen Brandmauern, Schrott, wildwucherndem Grün und illuminierten Kunstobjekten setzt Jan Christoph Zimmermann bereits im dritten Sommer Shakespeare in Szene. Nach „Sommernachtstraum“ und „Wintermärchen“ hat er nun die Verwechslungs- und Liebeskomödie „Was ihr wollt“ neu übersetzt und bearbeitet. Nur fünf DarstellerInnen teilen sich die Rollen, schlüpfen in Windeseile hinter der kahlen, schwarz ausgeschlagenen Guckkastenbühne in neue Kostüme und Charaktere.
Von Neu- und Uminterpretationen des Lustspiels und intellektuellen Regiekonzepten hält Zimmermann nichts. Er kehrt mit seiner spielfreudigen Truppe zurück zu den Ursprüngen des Gaukler- und Wandertheaters. Entsprechend herausgestellt und ausgespielt sind die treffsicheren Klamaukszenen, zudem unterstützt durch die saloppen Sprachscherze, die Zimmermann dem Shakespeare-Text untergeschoben hat. Da wirft man dem blasierten Malvolio (herausragend: Roger Jahnke) vor, den „Adelskatalog als Wichsvorlage“ zu benutzen, und der tumbe Saufkopf Sir Andrew (Carsta Zimmermann) flucht: „Schieb ab, Kackkrümel!“ Und Viola (Julia Zerman) wechselt bei ihrem Minnesang mal schnell und kaum merklich von Henry Purcell zu Simon & Garfunkel. Zu der ohnehin schon vorhandenen Homo/Hetero-Geschlechterverwirrung und den Rollentausch-Aktionen des Stücks übernehmen hier die Darstellerinnen auch noch einige Männerparts. Nicht nur in Zeiten von „Trans/Gender“-Debatten naheliegend, doch von der Regie leider wenig genutzt. Anders als zu Zeiten Shakespeares bleibt den Männern im Ensemble Rock und Kleid erspart. Dennoch: ein wirklich schöner, liebevoll inszenierter und temperamentvoll gespielter Spaß für laue Abende – und fast schon ein „Sommernachtstraum“. Axel Schock
Im Hexenkessel, Schönhauser Allee, bis 30. August
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