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Thailand ruft den IWF zu Hilfe

Die thailändische Wirtschafts- und Währungskrise verschärft sich. Jetzt will die Regierung sich sogar dem Diktat aus Washington beugen. Droht eine Finanzkrise wie in Mexiko?  ■ Aus Bangkok Jutta Lietsch

Der Tiger verliert seine Krallen: Die Regierung in Bangkok hat gestern eingestanden, unfähig zu sein, die angeschlagene Wirtschaft Thailands zu retten. Der Internationale Währungsfonds (IWF) soll nun die Zahlungsunfähigkeit des schwer verschuldeten Landes mit einem Kredit verhindern. Das erklärte gestern Finanzminister Thanong Bidaya. Presseberichten zufolge habe es bereits am Wochenende Spitzengespräche zwischen Regierung und IWF gegeben.

Monatelang hatte die Regierung in Bangkok diesen Schritt hinausgezögert, obwohl die Krise der einst boomenden Wirtschaft längst unübersehbar war: Die Zentralbank gab 320 Milliarden Baht (10,7 Milliarden Dollar) und damit ein Drittel des thailändischen Haushalts aus, um angeschlagene Finanzinstitute über Wasser zu halten. Die Exporte gingen zum erstenmal seit 30 Jahren zurück, Steuereinnahmen blieben weit geringer als erwartet. Immer mehr Firmen stürzten in den Bankrott, die Arbeitslosigkeit stieg.

„Die Zeitbombe tickt“, schrieb gestern die Bangkoker Zeitung The Nation. Wer für diese Situation verantwortlich ist, stand für die erbitterten Kommentatoren außer Frage: Die eigene Regierung besäße keinerlei „Glaubwürdigkeit und Fähigkeit“ zur Reform. Nur wenn der Internationale Währungsfonds eingreife und „alle Regierungsabteilungen – außer vielleicht das Außenministerium“ – übernehme und einem strikten Reformprogramm unterwerfe, habe das Land eine Chance.

Ein Grund, warum sich die Regierung bislang gegen die mit einem Kredit verbundene Kontrolle durch den IWF sträubte, ist die enge Verflechtung zwischen Wirtschaft und Politik in Thailand. Viele staatliche Aufträge werden an Unternehmen vergeben, die den Wahlkampf von Ministern und Abgeordneten finanziert haben.

Nicht nur in Thailand, sondern in ganz Südostasien gerieten die Währungen ins Trudeln. Erst im vergangenen Monat hatte die Regierung in Bangkok beschlossen, die enge Bindung des thailändischen Baht an den US-Dollar aufzugeben, nachdem Spekulanten die feste Bindung des Wechselkurses unmöglich gemacht hatten. Jahrelang hatte diese Kopplung dazu beigetragen, daß die Währung stabil blieb. Anfang Juli aber fiel der Baht um 20 Prozent, was eine massive Kapitalflucht sowie einen Kurssturz an der Bangkoker Börse auslöste.

Die Wurzeln der Krise aber liegen tiefer. Europäische oder amerikanische Kunden kaufen beispielsweise ihre Textilien, Schuhe oder Haushaltsgeräte nun lieber in billigeren Ländern. Ausländische und thailändische Investoren machen deshalb ihre Fabriken dicht und zogen nach Vietnam, China oder Indonesien weiter. Tausende ArbeiterInnen wurden arbeitslos oder müssen sich mit geringeren Löhnen abfinden.

Das Problem wurde verschärft, weil die Banken jahrelang mit großzügigen Krediten einen Bereich unterstützten, der kaum wirtschaftlichen Nutzen besaß: den Immobiliensektor. So verwandelte sich die Metropole Bangkok in den letzten Jahren in eine riesige Baustelle: Glitzernde Einkaufspassagen, gläserne Bürotürme und säulenverzierte Wohnpaläste veränderten das Stadtbild fast über Nacht – und wurden zum sichtbaren Zeichen des neuen, unerhörten Wohlstands in Thailand. Dieser neue Reichtum allerdings konzentriert sich nur in den Händen einer kleinen Schicht. Die Mehrheit der Bevölkerung, vor allem in ländlichen Gebieten, profitiert von den Investitionen im Bausektor keineswegs. Die Folge: Als die Rückzahlungen für die Kredite fällig wurden, mußten die Bauherren passen. Thailändische Banken haben nach Schätzungen der Zeitschrift Economist 15 Milliarden Dollar fauler Kredite vergeben und konnten bislang nur durch Finanzspritzen der Zentralbank vor dem völligen Zusammenbruch gerettet werden.

Beim diesjährigen Ministertreffen der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Asean) in Kuala Lumpur standen die Währungsprobleme gestern ganz vorn auf der Tagesordnung. Malaysias Premierminister schob in den letzten Tagen die Schuld an der Misere nicht den eigenen Regierungen, sondern ausländischen Spekulanten zu: Der amerikanische Milliardär George Soros, der Demokratiebewegungen in vielen Ländern unterstützt, habe die Asean dafür bestrafen wollen, daß sie auch Birma aufnahm.

Viele Länder in der Region leiden unter ähnlichen Problemen wie Thailand. Sie sind daher in der Tat seit Monaten Zielscheibe von Devisenspekulanten, die auf Abwertung setzen. Die Philippinen erhielten in diesem Monat schon eine Milliarde Dollar Kredit vom IWF. Einige Beobachter fürchten jetzt, daß die Wirtschaftsturbulenzen in Südostasien eine ähnliche globale Währungskrise auslösen könnten wie 1994 im Falle Mexikos. Damals stand das mittelamerikanische Land am Rande der Zahlungsunfähigkeit, die nur mit Müh und Not von IWF und den USA abgewendet werden konnte.

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