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Banalität mal Nostalgie mal Größe

■ taz Architektur Sommer: HamburgerInnen beschreiben ihr meistgeliebtes oder meistgehaßtes Haus der Stadt.  Teil I: Till Briegleb über die neue Bürobebauung am Millerntor

Haß (oder Abscheu) hat so etwas Ewiges, und das wäre für mißratene Gebäude zuviel der Ehre. Da ziehe ich in der Beurteilung von Architektur den Zorn vor. Und für diesen gibt es in Hamburg reichlich und wechselnden Anlaß. Entsprechend richtet sich mein Ärger immer auf die gerade letzte und lauteste Scheußlichkeit.

Das große Ärgernis zur Zeit erscheint mir die neue Millerntorbebauung. Gerade von Architekten, die unentwegt und mit den einseitigsten und konservativsten Argumenten auf die Einhaltung von lokalen Traditionen, die Zurückhaltung des Baumeisters und den Respekt vor dem vorgefundenen Ort pochen, erscheint ein derartig alle Maße und Bezüge sprengendes Ungetüm eigentlich undenkbar.

Aber vielleicht entpuppt sich ja gerade hier, wie auch bei vielen vorherigen Gebäuden des Büros Kleffel, Köhnholdt, Gundermann (KKG), das Gerede vom genius loci als die pure Ideologie, mit der man miserable Architektur, harsche Stadtfeindlichkeit und völlig mangelndes Gefühl für Proportionen kaschiert. Sei es an der Kehrwiederspitze, am Neuen Dovenhof oder an der Neuen Flora: KKG machen es groß, häßlich und plump.

Die riesige Baumasse, die sich von jeder Perspektive herrisch ins Bild setzt, weist zwar den üblichen Schnickschnack an Sichtbeton, geschwungenen Glasfronten und expressionierenden Details auf, aber die Gesamterscheinung ist die einer banalen Lochfassaden-Burg für eine Klientel, die man am Eingang der Reeperbahn nun wirklich nicht in dieser Masse braucht. Büromenschen, die von fern kommend um neun Uhr in die Tiefgarage fahren und um 17 Uhr wieder heraus – so denn hier nicht nur wieder neuer Büroleerstand kultiviert wird.

Mit der Geschichte des Ortes und seiner Bewohner hat dieses Gebäude nicht das geringste zu tun, außer vielleicht, daß die gelbliche Steintapete an die Holz-Imitat-DCfix-Orgien in den Bädern, Hobbykellern und Fluren der Kiez-Proletarier erinnert. Auch daß möglicher öffentlicher Raum von den Architekturen zum wiederholten Male in abgeschlossenen Lichthöfen für die Hausbewohner domestiziert wird, gehört zu dieser arroganten Haltung, die sich einzig und alleine für den lauten Auftritt eines Gebäudes in der Stadt interessiert. Wobei gegen einen lauten Auftritt, der sich der theatralischen und ästhetischen Ideen seiner Zeit öffnet, gerade in Hamburg gar nichts zu sagen wäre. Aber Banalität mal Nostalgie mal Größe mal Dienerschaft vor Investoreninteressen führt zu einem stadtunverträglichen Geplärr, dessen Urheber man zumindest für Hamburg doch endlich mit Bauverbot belegen sollte.

Till Briegleb war von 1991 – 1996 Kulturredakteur der „taz“-Hamburg und ist heute Kulturredakteur der „Woche“.

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