Häuserräumung rechtlich umstritten

■ Ein Großaufgebot der Polizei räumte gestern drei langjährig besetzte Häuser in Friedrichshain und Lichtenberg. Amtsgericht ordnet per einstweilige Verfügung Rückkehrrecht einzelner Besetzer an

Die Polizei schuf gestern Tatsachen, das Amtsgericht Schöneberg hob sie am Abend schon wieder teilweise auf. Nach der Räumung dreier langjährig besetzter Häuser in Friedrichshain und Lichtenberg entschied das Gericht am Abend per einstweilige Verfügung, daß zwei Besetzer in das geräumte Haus in der Rigaer Straße 80 zurückkehren dürfen. Die Eigentümer müssen demolierte Wohnungstüren sowie Fenster und Eingangstüren wieder instand setzen. Außerdem muß der Zugang zu sämtlichen geräumten Teilen des Hauses gewährt werden.

Rund 500 Polizisten waren am Morgen im Einsatz, als die seit sieben Jahren besetzten Häuser Rigaer Str. 80 und Scharnweberstraße 28 in Friedrichshain sowie Pfarrstraße 88 in Lichtenberg geräumt wurden. Zudem wurden mehrere von Obdachlosen besetzte Wohnungen im Hinterhaus der Schreinerstraße 14 geräumt. Dabei brach die Polizei auch die Wohnung einer legalen Mieterin auf. Nach Polizeiangaben wurden insgesamt 57 Personen in den Häusern angetroffen. Fünf Besetzer seien festgenommen worden.

Bei allen drei Räumungen seien das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) zum „Schutz privater Rechte“ angewandt worden, erklärte Thomas Raabe, Sprecher von Innensenator Jörg Schönbohm (CDU). Vom Zivilrecht geforderte Klagen der Hauseigentümer gegen jeden einzelnen Besetzer seien ergebnislos geblieben, da in den Häusern ständig neue Personen einziehen würden, begründete Raabe.

Nach Polizeiangaben gab es aber nur für die Scharnweberstraße 28 und die Pfarrstraße 88 überhaupt richterliche Räumungstitel, deren Vollstreckung an der Bewohnerstruktur scheitern konnte. Die Räumung der Rigaer Straße 80 hingegen beruhe ausschließlich auf einem Beschluß der Innenverwaltung. Im Streit um die Rigaer 80 hatte das Amtsgericht Schöneberg im Mai den Besetzern „Besitzrechte“ zugesprochen. Der Richter hatte den Hauseigentümer Sven Rosemann dazu verurteilt, die Wasserversorgung des Hauses wiederherzustellen, die Anfang Mai unter Polizeischutz gekappt worden war.

Zusätzlich führte der Richter aus: „Soweit die Eigentümer die Grundstücksnutzung durch die Besetzer unterbinden wollen, müssen sie den Rechtsweg beschreiten und gegebenenfalls klagen.“ Raabe wollte den Richterspruch nicht kommentieren. Zudem sei das Verfahren an die nächsthöhere Instanz weitergegeben worden. Auch aus dem für Friedrichshain zuständigen Polizeiabschnitt kam interne Kritik an der Entscheidung der Innenverwaltung. Man habe von der Räumung abgeraten. Hauseigentümer Sven Rosemann war wegen eines Überfalls im Mai 1994 auf die Rigaer Straße 80 wegen Beihilfe zur Nötigung verurteilt worden. Bei der versuchten Privaträumung waren Bewohner teils schwer verletzt worden.

Die BewohnerInnen der Friedrichshainer Häuser hatten sich seit Jahren um vertragliche Lösungen bemüht. In der Scharnweberstraße hatten die BewohnerInnen in monatelanger Arbeit Auflagen der Bauaufsicht erfüllt, um so eine baurechtliche Räumung zu verhindern. Der Sanierungsträger List hatte Lösungsmodelle erarbeitet. Im Mai aber hatte die Senatsbauverwaltung dem Sanierungsträger das Verhandlungsmandat entzogen. Begründung: fehlendes Interesse der Eigentümer.

Nur in der Pfarrstraße 88 waren die Eigentümer verhandlungsbereit. Ihnen gehört auch das ebenfalls besetzte Haus Pfarrstraße 104. Dortige Bewohner erklärten, sie stünden kurz vor Vertragsabschluß. Die Verhandlungen um die Nummer 88 seien am Desinteresse der Besetzer gescheitert. ga/ee