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Der Name zahlt

■ Morgen muß sich ein Hacker vor einem amerikanischen Gericht verantworten: Er hat eine Homepage entführt

Vor drei Wochen noch war Eugene Kashpureff der kaum bekannte Geschäftsführer eines unbedeutenden amerikanischen Internet-Unternehmens. Doch wenn er morgen vor einem amerikanischen Bundesgericht aussagen muß, kann sich der Geschäftsmann aus dem Staate Washington weltweiter Aufmerksamkeit sicher sein. Der „Netz-Terrorist“ oder „Domain Guerilla“, wie Kashpureff von seinen zahlreichen Feinden geschmäht wird, muß sich für ein Vergehen verantworten, für das es bisher noch kein Strafmaß gibt: Homepage- Kidnapping.

In Gotham City hätte man sofort auf den Joker, Batmans anämischen Widerpart, getippt – so perfide war der Plan, an dem Kashpureff (httpd.com/ekashp/resume. html) unter dem Titel „Project DNS Storm“ ein Jahr lang gearbeitet hatte. Ihn der zweiten Juliwoche setzte er ihn rücksichtslos in die Tat um.

Internauten, die mit ihrem Web-Browser auf das Angebot von InterNIC zugreifen wollten, müssen es wohl für einen schlechten Scherz gehalten haben, was sich da plötzlich auf ihrem Bildschrirm aufbaute. InterNIC vergibt sogenannte Top-Level Domains. Das sind die Rechnernamen, die am Anfang der Webadressen stehen und (in den USA) auf ominöse Kürzel wie „.com“, „.org“ oder „.net“ enden. Wer den Namen seiner Firma nicht erst nach einem halben Dutzend Schrägstrichen in der prestigeträchtigen Webadresse sehen will, sondern ganz vorne, kommt bisher um InterNIC nicht herum. Nur die Topadressen, die (gebührenpflichtig) hier angemeldet sind, werden an die Rechner weitergereicht, die den Datenpaketen den Weg durchs Netz weisen.

Doch ausgerechnet die Zentralstelle selbst war plötzlich nicht mehr bekannt. Die InterNIC- Homepage, bisher immer unter der Adresse www.internic.net zu Hause, war von einem Tag auf den anderen verschwunden. Ihren Platz hatte eine andere Firma eingenommen: AlterNIC, die als alternative Vergabestelle für Top- Level Domains firmiert: Das Unternehmen Eugene Kashpureffs, üblicherweise unter http://www. alternic.net anzutreffen, hatte sich nach Kuckucksart ins fremde Nest gesetzt.

Im Onlinemagazin news.com meldete sich der Entführer nach fünf Tagen selbst zu Wort und schickte eine Grußadresse in Richtung InterNIC: „Wenn die sich einbilden, die ganze Welt der Domain-Namen gehöre ihnen, dann habe ich hier eine Neuigkeit für sie. Übers Wochenende war ihr Name meiner!“ Der Krieg um die Vorherrschaft bei der Vergabe von Internet-Adressen hat damit seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Seit im September 1995 die Firma Network Solutions, die im Auftrag der National Science Foundation die InterNIC betreibt, erstmals Geld für die Registrierung von Domänen verlangte, mehrte sich die Kritik an dem kommerziellen Monopolisten von Jahr zu Jahr. Der Videokünstler Paul Garrin möchte gleich die ganze hierarchische Namensordnung abschaffen. Aber auch Unternehmen, die am System selbst nichts auszusetzen haben, melden sich zu Wort. Sie wollen an dem Boom teilhaben. Es wird geschätzt, daß die Einnahmen aus Namensgebühren 1999 auf 200 Millionen Dollar steigen.

Zwar ist Kashpureffs Kidnapping-Aktion, im Fachjargon als „Domain-Spoofing“ bezeichnet, beispiellos in ihrer Unverfrorenheit. Aus technischer Sicht muß sie aber als leichtere Übung eingestuft werden. Der AlterNIC-Chef hatte die Domain Name Server, also die Rechner, die weltweit dafür sorgen, daß Datenreisende an ihrem gewünschten Ziel ankommen, so manipuliert, daß die InterNIC-Besucher ganz einfach umgeleitet wurden. Möglich ist dies durch ein Sicherheitsloch in der gebräuchlichen Server-Software, auf das der Hacker Paul Vixie schon vor Jahren hingewiesen hat.

Erst am Montag, 14. Juli, gelang es der InterNIC, Kashpureff per einstweilige Verfügung zur Herausgabe der eigenen Homepage zu bewegen. Der sieht seiner Vorladung vor Gericht gelassen entgegen: „Wenn die mich kriegen, dann werde ich ein größerer Märtyrer sein als Phil Zimmermann, der Erfinder des Verschlüsselungssystems PGP.“ Harald Feierabend

happyend@euromail.com

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