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Das war's halt

■ 20 Jahre später, drei alternative Landkommunen ziehen Bilanz: "Früher glücklich, heute froh" (22.15 Uhr, arte)

Alternative Kultur auf dem Lande“, so Filmemacher Pavel Schnabel, hätten die Mitglieder der drei Landkommunen gesucht, über die er vor 20 Jahren einen Dokumentarfilm drehte. Die alten Bilder zeigen Menschen, die mit einem Fahrrad nackt auf dem Hof herumkreisen und ihre Wäsche mühsam auf dem Waschbrett schrubben. Zu sehen sind aber auch junge Leute, die Free- Jazz-Sessions veranstalten oder im Heu die „Bremer Stadtmusikanten“ proben, weil sie mit Traktor und Bauwagen über Land ziehen, um Kindertheater zu machen.

20 Jahre danach hat Schnabel die Alternativen von damals für eine anderthalbstündige Dokumentation wieder aufgespürt. Bis vor einigen Jahren ein Feuer ihren Hof zerstörte, lebte die Musikerkommune zusammen. So fand ihre gemeinsame Zeit ein zwar schmerzliches, aber auch gleichsam natürliches Ende, das bei den ehemaligen Bewohnern kaum noch Sentimentalitäten auslöst. Die Mitglieder, die überhaupt noch bereit waren, sich mit Schnabel zu unterhalten, sagen eigentlich nicht mehr als „das war's halt“.

Dagegen konnte die Theatergruppe Mathom, die einen einsamen Bauernhof in Melle bewohnt, ihren Traum verwirklichen, bekanntlich ein wenig erstrebenswerter Zustand: Die Mitglieder leben inzwischen vom Theaterspielen – was allerdings auch bedeutet, in Schulen pädagogisch wertvolles Rocktheater contra Drogen aufzuführen. Das mutet schon ein wenig merkwürdig an, wie da wohlgenährte 40jährige in der Schulaula den coolen Drogenrockstar geben. Ihren Hof hat die Truppe inzwischen komfortabel renoviert, ihr Management professionalisiert und ihren Garten vernachlässigt. Diese Landkommune könnte ohne weiteres in der Stadt leben, nur der elefantengroße Hund wäre wahrscheinlich nicht an eine Etagenwohnung zu gewöhnen.

Die auseinandergefallene Kommune wollte einst als „Wanderbühne Allgäu“ die Kinder zum Aufruhr anstiften oder jedenfalls zu besseren Menschen machen. Der damals das große Wort führte, ist heute natürlich Lehrer mit Eigenheim. Die einst am Zuber die Wäsche schrubbte, lebt immer noch das einfache Leben in Naturverbundenheit. Sie macht, nebenbei bemerkt, den glücklichsten Eindruck, während ihre damaligen Mitstreiter von Hypotheken, Familie und Beruf aufgefressen oder jedenfalls angeknabbert werden.

Schnabel hält sich mit Kommentaren zurück. Das mag lobenswert sein, läßt aber den Zuschauer allein in einem rechten Durcheinander von Statements. Wenn ich die Gefilmten nach 20 Jahren kaum selbst noch wiedererkenne, wie soll dann bitte das Publikum die jungen Wilden ihren späten Wiedergängern zuordnen können? Susanne Fischer

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