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Friedliche Lösung für Sierra Leone gescheitert

■ Verhandlungen geplatzt. Nun droht nigerianischer Angriff gegen die Junta

Berlin (taz) – Eine Militärintervention zum Sturz der herrschenden Junta im westafrikanischen Sierra Leone ist gestern nähergerückt, nachdem Friedensgespräche zwischen der Junta und der Regionalorganisation Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) abgebrochen wurden. Nigerias Außenminister Tom Ikimi, der das Verhandlungskomitee der Ecowas führt, erklärte die Gespräche in Abidjan, Hauptstadt der Elfenbeinküste, gestern früh für gescheitert. Grund seien die „völlig unakzeptablen“ neuen Erklärungen der sierraleonischen Junta. Das Ecowas-Komitee werde nun Nigerias Militärdiktator Sani Abacha „Vorschläge“ unterbreiten, wie das Ecowas-Mandat zur Wiederherstellung der zivilen Regierung von Sierra Leone realisiert werden könnte.

Am Mittwoch abend hatte Sierra Leones Juntachef Johnny Koroma, seit seinem Militärputsch vom 25. Mai an der Macht, seine neuen politischen Pläne dargelegt. Demnach soll seine Junta bis November 2001 an der Macht bleiben. Bis dahin wird eine neue Verfassung erarbeitet. Dieser Zeitplan ähnelt den Versprechungen, die Nigerias Präsident Abacha immer wieder für die Wiederherstellung der Demokratie in Nigeria macht.

Wohl wissend um die Wirkung seiner Erklärungen, fügte Koroma hinzu: „Wir sind bereit, unser Territorium gegen Aggressionen und Bedrohungen zu verteidigen.“ Die im benachbarten Liberia stationierte westafrikanische Eingreiftruppe Ecomog steht seit dem Putsch bereit, auch in Sierra Leone einzugreifen, die Junta von Koroma zu stürzen und die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen. Nigerianische Soldaten sind rund um Sierra Leones Hauptstadt Freetown stationiert, kontrollieren den Hafen und den Flughafen und halten seit knapp zwei Wochen eine Luft-, Land- und Seeblockade gegen die Stadt aufrecht. Nach Angaben der Junta läßt Nigeria inzwischen Verstärkungen einfliegen.

Ob Nigeria tatsächlich ein gewaltsames Vorgehen gegen Koromas Junta wagt oder lieber auf eine weitere Verschärfung der Nahrungsmittel- und Benzinknappheit im abgeriegelten Freetown setzt, ist unklar. Einigen Berichten zufolge ist Nigeria, das genauso wie Sierra Leone von einer Militärjunta regiert wird, innerhalb der Ecowas mit seiner harten Linie isoliert. Nigerias Präsident Abacha bereiste diese Woche mehrere westafrikanische Länder, um für Unterstützung zu werben.

In der offiziellen nigerianischen Presse wird Sierra Leones Juntachef Koroma als Störenfried präsentiert, der Westafrika destabilisiere und bewaffneten nigerianischen Untergrundgruppen Unterstützung gebe. Ähnlich finster wurde früher in Nigeria Charles Taylor dargestellt, der einstige Rebellenchef von Sierra Leones südlichem Nachbarland Liberia, der dort soeben freie Wahlen gewonnen hat. Johnny Koroma hat Taylors Sieg heftig begrüßt, in der Hoffnung, in ihm einen Verbündeten zu finden.

Aufgrund Taylors neuer demokratischer Legitimation kann Nigeria jetzt nicht mehr wie früher militärisch gegen ihn vorgehen, sondern muß sich mit ihm verständigen. Der einstige Rebellenchef wird morgen offiziell in sein Amt als Präsident Liberias eingeführt. Bereits vorher hat er Nigerias Hauptstadt Abuja besucht und versichert, die nigerianisch geführte Ecomog-Truppe nicht vor Ablauf ihres UN-Mandats in einem halben Jahr aus Liberia zu werfen. Die Ecomog-Führung hat ihrerseits Taylor zur Aufnahme seiner Gegner in die Regierung aufgerufen und versprochen, sie werde die „Sicherheit“ der neuen Regierung Liberias garantieren. Da sie in der Vergangenheit solche Versprechen überaus restriktiv ausgelegt hat, ist möglich, daß die Ecomog auch diesmal in Versuchung gerät, die Handlungsfreiheit der liberianischen Regierung einzuschränken. Die wiederum hat keine Möglichkeit, eventuelle Ecomog-Angriffe aus Liberia hinaus Richtung Sierra Leone zu verhindern. Dominic Johnson

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