: Weniger Schüler und volle Klassen
■ In diesem Jahr werden zehn Prozent weniger Erstkläßler eingeschult. Doch es bleibt bei größeren Klassen, wenig Geld und insgesamt 4.000 arbeitslosen Lehrern. GEW fürchtet Zuspitzung der Situation
Immer weniger Kinder werden eingeschult – aber die Situation an den Schulen verbessert sich nicht. Das ist das Fazit der Schulverwaltung zum Beginn des neuen Schuljahres am Montag. Zum Schuljahr 1997/98 werden ca. 10 Prozent weniger Schulanfänger als im vergangenen Schuljahr eingeschult. Waren es vor einem Jahr noch 36.100 Abc-Schützen, sind es jetzt nur noch 31.840, sagte gestern Schulsenatorin Ingrid Stahmer. Doch dem Rückgang der Schülerzahlen stehen weiterhin hohe Arbeitslosigkeit bei Lehrern, große Klassen und die Finanznot des Landes im Schulbereich gegenüber.
Eine Ursache für den dramatischen Rückgang der Lernanfänger sei „die unmittelbare Folge der Geburtenentwicklung“, so Stahmer. Vor allem in den östlichen Bezirken habe es 1991 einen spürbaren „Geburtenknick“ gegeben. Deshalb wird es 1997 dort rund 4.000 Erstkläßler weniger geben, während sich die Zahl im Westteil nur um etwa 250 verringert.
Probleme gibt es wie im vergangenen Schuljahr trotzdem: Stahmer räumte ein, daß die Stundenpläne am ersten Schultag noch nicht überall feststünden, da die Versetzungen von insgesamt 230 LehrerInnen an andere Schulen noch nicht abgeschlossen seien. Grund seien die Bewegungen bei den Schülerzahlen – starker Zuwachs in Neubaugebieten wie Karow-Nord oder der extreme Rückgang in Großsiedlungen wie Marzahn und Hohenschönhausen.
Für Stahmer ist die Schul- und Personalausstattung für die SchülerInnen trotz der Kürzungen „nicht schlechter als im vergangenen Jahr“. Derzeit sind 4.000 LehrerInnen arbeitslos, an einzelnen Schulen konnten nicht alle Fachlehrerstellen besetzt werden. Das betrifft vor allem die Fächer Musik, Spanisch und Japanisch. Auch die Klassenfrequenzen bleiben hoch: Im Durchschnitt lernten in den Grundschulklassen 1997 26 SchülerInnen, im Jahr davor waren es pro Klasse zwei weniger.
Erhard Laube von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) wirft dem Land vor, mit einer „falschen Steuer- und Finanzpolitik“ den Stellenabbau bei Lehrern dramatisch vorangetrieben und somit überfüllte Klassen hervorgebracht zu haben. Die Situation werde sich noch „zuspitzen“, „noch mehr Unterricht“ werde ausfallen. Bis 1999 sollen von insgesamt 33.000 Vollzeitstellen 3.000 abgebaut werden. Davon sind bisher erst 1.000 weggefallen. Auch Hans-Hermann Wilke, stellvertretender Vorsitzender des Landeselternausschusses, sieht eher schwarz: Die „Qualität des Lernens“ werde bei hohen Klassenfrequenzen und zu wenigen LehrerInnen noch weiter sinken. Außerdem komme ein „unabsehbares Problem“ auf die Schulen zu, wenn in zehn Jahren die jetzigen Lehrer aus Altersgründen ausscheiden, aber keine jungen Lehrer mit Erfahrungen vorhanden seien. Karen König
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