: Der rechte Pate als Freigänger
■ Arnulf Priem, Ziehvater der Rechten, darf seine Haftstrafe im Freigang und mit Urlaubswochenende verbringen
Die „Symbolfigur des Rechtsextremismus in Berlin“ nannte Polizeipräsident Hagen Saberschinsky vor kurzem in einem taz-Interview Arnulf Priem im Zusammenhang mit den Gewalttaten des Neonazis Kai Diesner. Priem war jahrelang geistiger Ziehvater von Diesner. Am kommenden Freitag beginnt in Lübeck der Prozeß gegen Diesner, der im Frühjahr einen Polizisten erschoß, einen zweiten lebensgefährlich verletzte und zuvor einen linken Buchhändler in Berlin mit einer Schrotflinte niederschoß. Doch während Diesner eine lebenslängliche Haftstrafe droht, braucht Priem seine Haftstrafe nicht vollständig abzusitzen. Seit kurzem ist der im Mai 1995 zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilte Priem im offenen Vollzug. Seitdem verbringt er auch regelmäßig seine Wochenenden in Freiheit.
Der gelernte Industriekaufmann Arnulf Priem war im August 1994 festgenommen worden. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung fanden die Beamten 220 Gramm Sprengstoff im Ofenrohr, Molotowcocktails sowie scharfe Waffen und Munition. Die Anklageschrift umfaßte schließlich nebem dem illegalen Waffenbesitz insgesamt fünfzehn Punkte, darunter die „Bildung eines bewaffneten Haufens“ und die Verwendung von Nazisymbolen. Als der einschlägig vorbestrafte Priem in seiner Weddinger Wohnung festgenommen wurde, war auch Kai Diesner zugegen.
Unter verschiedenen Namen wie „Kampfgruppe Priem“ oder „Wotans Volk“ sammelte Priem seit den siebziger Jahren mit einer kruden Mischung aus Runenkult, Waffenverherrlichung und Esoterik seine Gefolgsleute um sich. Immer wieder waren Mitglieder des Kreises um Priem in Straftaten verwickelt. Darunter waren Sprengstoffanschläge, Waffenhandel sowie verschiedene Morde, wie der am Chef der Berliner Grundkreditbank, Ulrich Jahnke, oder der Tod einer Rentnerin, aber auch die tödliche Messerstecherei in der rechten Szene im April 1997.
Bei der Justizverwaltung hält man den Freigang für Priem kurz vor Prozeßbeginn gegen Diesner für unproblematisch. Der offene Vollzug sei in Berlin der angestrebte Regelfall, über den die Anstaltsleitung selbstständig entscheide, erklärte Corinna Bischoff, Pressesprecherin der Justizverwaltung: Arnulf Priem dürfe schließlich „nicht schlechter behandelt werden als andere“. Außerdem habe er von den dreieinhalb Jahren Haft bereits zwei Jahre abgesessen; hinzu käme die fast einjährige Untersuchungshaft. Solange es keine Hinweise dafür gäbe, daß er Einfluß auf andere Menschen oder den Prozeß gegen Diesner nehme, könnte der Freigang nicht verweigert werden. Für solche Aktivitäten gebe es aber keine Anzeichen.
Priem selber hatte im Prozeß die Rolle des Geläuterten eingenommen und erklärt, er wolle sich künftig nur noch als Hühnerzüchter betätigen. taz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen