: „Gemeinsam etwas auf die Beine stellen“
■ Sozialarbeiter Mounir El-Serri zum Konflikt zwischen Jugendlichen und Polizei
Mounir El-Serri ist Sozialarbeiter im Jugendtreff „Dar Alsalam“(Haus des Friedens) in Kattenturm. Dort treffen sich jugendliche Libanesen. Wir sprachen mit ihm über die Vorfälle im Stadtteil.
taz: Was ist jetzt los in Kattenturm?
Sozialarbeiter Mounir El-Serri: Ich habe mit vielen Eltern gesprochen und sie gebeten, ihre Kinder erstmal zu Hause zu behalten, damit sich alles etwas beruhigt.
Sie waren Montag abend zuHause, und die Polizei hat Sie nicht informiert. Warum nicht?
Ich weiß es nicht. Es ist nicht normal, daß ich nicht informiert werde. Aber zur Arbeit der Polizei kann ich nichts sagen.
Warum hat es Montag abend wieder geknallt?
Nachdem die Polizei bei den Auseinandersetzungen am Sonntag einen 17jährigen nicht festnehmen konnte, haben die Jugendlichen es eben wieder versucht. Sie haben tatsächlich Steine geworfen. Es waren auch noch Jugendliche aus der Neustadt, dem Steintorviertel und Huchting dabei. Das war dann totales Chaos.
Warum knallt es zwischen Polizei und Jugendlichen?
Gewalttätige Jugendliche sind ein Problem, aber sie haben selbst Probleme. Es leben hier rund 130 Kinder und Jugendliche auf eng-stem Raum. Sie dürfen hier nicht arbeiten oder eine Ausbildung machen und haben keine vernünftigen Freizeitangebote. Da ist es manchmal sehr langweilig auf der Straße. Außerdem gibt es viele Probleme, weil sie in kinderreichen Familien leben. Da reicht die Sozialhilfe oft nicht aus, um ihnen ein paar Wünsche zu erfüllen.
Was sind das für Jugendliche?
Das sind Kurden aus dem Libanon und aus der Türkei sowie Jugoslawen, die so eine Art Zusammenhalt haben. Sie leben schon lange in Deutschland.
Haben die Beamten vor Ort bei den Kontrollen provoziert?
Die Provokation kommt auf eine andere Art. Da spielen die Polizei, aber auch die Presse eine Rolle. In der Presse wird oft von Südländern gesprochen, und die Polizei sucht bei Kontrollen vor Ort auch gezielt nach schwarzhaarigen oder dunkelhäutigen Menschen. Da werden dann im Stadtteil sehr oft Kinder angehalten, die aber gar nichts mit der Sache zu tun haben. Das kann ein neunjähriger Junge gar nicht verstehen, das tut ihm weh und diese Kontrollen häufen sich in Kattenturm.
Und dann entsteht Haß auf die Polizeibeamten?
Haß will ich nicht sagen. Aber die Kinder können oft nicht begreifen, warum sie kontrolliert werden. Und wenn sie einen Anlaß haben, ihre Wut loszulassen, lassen sie sie eben los. Aber nur mit polizeilichen Methoden kann man das Problem nicht lösen. Das ist eine politische Frage, was man für Jugendliche tun möchte, die keine Alternative haben. Sie wollen hier in Frieden leben, aber solange sie auf der Straße leben ...
Was kann man in Zukunft tun?
Ich bin für direkte Gesprächsrunden. Die Polizei sollte nicht immer ihre Härte demonstrieren und ohne Vorurteile auf die Jugendlichen zugehen. Man müßte die Polizei und alle Jugendlichen zum Beispiel in eine Schule einladen. Das gab es bisher noch nicht. Wir können aber nur Erfolg haben, wenn wir, das Amt für Soziale Dienste und die Polizei gemeinsam etwas auf die Beine stellen.
Fragen: Katja Ubben
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