: Kein Frieden für Algerien in Sicht
■ Trotz der Freilassung des Führers der Islamischen Heilsfront gehen die Massaker an Zivilisten weiter
Madrid (taz) – Die Hoffnungen, der Führer der verbotenen Islamischen Heilsfront (FIS), Abassi Madani, könne ein Ende der Gewalt in Algerien bewirken, zerschlagen sich. In einem gestern von der algerischen Tageszeitung Liberté veröffentlichten Kommuniqué, das den Bewaffneten Islamischen Gruppen (GIA) zugeschrieben wird, werfen die radikalen Islamisten dem am 15. Juli nach über fünf Jahren Haft und Hausarrest freigelassenen FIS-Gründer vor, „Teil einer Verschwörung gegen den Heiligen Krieg“ zu sein. Der handschriftliche Text verurteilt die Aufrufe des Scheichs, die Gewalt einzustellen, als „Ketzertum“. „Wir hätten lieber gehört, daß er seine Politik bereut, sich von der FIS trennt, und dem Heiligen Krieg und den Mudschaheddin unterordnet“, heißt es im Schreiben.
Derweil gehen das Morden weiter. Seit der Freilassung Madanis und einer zeitgleich durchgeführten Militäroperation gegen die GIA-Kommandos südlich der Hauptstadt Algier, bei der die Armee 160 bewaffnete Islamisten erschoß – unter ihnen vermutlich GIA-Führer Antar Zouabri –, starben über 200 Menschen bei Anschlägen und Überfällen.
Das vergangene Wochenende war besonders blutig. Kaum hatte Staatspräsident Liamine Zéroual am vergangenen Sonntag eine Fernsehansprache beendet, in der er einmal mehr zum Schulterschluß gegen die Terroristen aufforderte, überfielen zwei bewaffnete Kommandos vier Dörfer um Blida – in den Atlasausläufern südlich von Algier – und ermordeten nach offiziellen Angaben insgesamt 104 Menschen. Die Opfer wurden enthauptet, die Leichen mit Benzin überschüttet und verbrannt. Reiner Wandler
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