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Tiger mit Zahnschmerz

■ Thailand akzeptiert das IWF-Sanierungsprogramm

Der Tiger hat Karies. Und weil das jahrelang ignoriert wurde, steht jetzt eine schmerzhafte Wurzeloperation mit unbekannten Erfolgsaussichten an: Gestern willigte die thailändische Regierung in ein Sanierungskonzept mit dem Internationalen Währungsfonds ein. Die Mehrwertsteuer soll erhöht werden, die Staatsausgaben gesenkt.

Dabei wurde Thailand stets als „Tiger der zweiten Generation“ hochgelobt – als Beispiel dafür, daß eine nachholende Entwicklung möglich sei. Hohe Wachstumsraten und eine Währung, die an den bis vor kurzem unterbewerteten Dollar gekoppelt war, zogen internationale Investoren an. In Bangkok entstanden luxuriöse Apartmenthäuser und Büropaläste. Doch ähnlich wie in Japan war auch in Thailand der Immobilienmarkt völlig überbewertet. Viele Investoren fanden keine Mieter, konnten die Kredite nicht zurückzahlen und zogen die Banken mit in den Strudel der Zahlungsunfähigkeit. Auch zahlreiche Unternehmen sind fast pleite, der Staat ist extrem verschuldet.

Außerdem wiederholt sich in Thailand das Dilemma eines Billiglohnlandes, das sich in eine höherindustrialisierte Ökonomie wandeln will. Das Wachstum steigert die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften und damit die Löhne. Doch weil in Thailand die Produktivität nicht mitgewachsen ist, verliert das Land seine Kunden an neue Billiganbieter wie China und Vietnam. Innerhalb der vergangenen zwei Jahre ist Thailands Exportsektor extrem eingebrochen. Viele thailändische Unternehmen versuchten dem Problem durch die Anstellung von Kindern und Arbeitern aus Kambodscha und Birma zu begegnen. Doch das verhindert gerade, was für eine stabilere Entwicklung vonnöten wäre: den Aufbau eines Absatzmarktes im Land selbst. Die gegenwärtige Finanzkrise hat diese strukturellen Probleme verschärft.

Das jetzt vom IWF verordnete Sanierungsprogramm wird an diesem Problem nichts ändern – im Gegenteil. Denn eine höhere Mehrwertsteuer trifft vor allem die Verbraucher mit kleinem Budget. Und auch die dringend notwendigen Investitionen in Schulen und Universitäten wird sich das Land jetzt noch weniger leisten können als bisher. Qualifizierte Arbeitskräfte aber wären eine der Grundvoraussetzungen dafür, daß der Tiger nicht demnächst völlig ohne Gebiß dasteht. Annette Jensen

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