: Klein Linus in der Cyberwelt
„Macht das nicht“, hab' ich gesagt, „ihr könnt doch euren Sohn nicht nach einem Betriebssystem nennen! Wenn er in ein paar Jahren in die Schule kommt und Microsoft bis dahin vielleicht weg ist vom Fenster und es nur noch Linux gibt, wird er doch nur gehänselt. Ach was, Schule! Im Kindergarten fängt das doch schon an. Linus, was'n Quatsch!“ Da liegt er nun, der kleine Rabäh und schlummert friedlich in seinem Bettchen – zärtlich zugedeckt von der jungen Mutter. „Der Terror kommt nachts“, sagt der Vater, „wenn alle schlafen, fordert Linus sein Recht.“
Den Namen habe ich den stolzen Eltern nicht ausreden können. Die auf Anhieb gelungene Testversion des Stammhalters nach dem Finnen Linus Thorwald benennen, der als erster an diesem Freeware-Unix gebastelt hat – das ist doch irgendwie daneben, oder? Immerhin besser als „Mac“ oder „Atari“. Aber es ist doch Linus Pauling, der Nobelpreisträger, und da ist noch die Figur von Charles M. Schulz, nach der das Söhnchen auch benannt wurde, versichern die Eltern. Anscheinend ist das immer noch angesagt: Ich kenne eine fette Katze, die Snoopy heißt. Rabeneltern! Ich schreibe dem Vater eine Webadresse auf: www.deardad.com/buildad.htm
„Wenn du ihm nächste Woche das Klicken beibringst, dann lad' ihm das. Dort kann er sich seinen virtuellen Vater ganz nach seinen Wünschen zusammenbasteln.“ Der reale Vater war einen Tag nach der Geburt noch so konfus, daß er das frische Foto hochkant auf die Familien- Homepage gestellt hat. Klein Linus sieht aus, als würde er vor Ärger die Wand hochkrabbeln. Das würde ich an seiner Stelle auch, und sicherheitshalber haben sie ihm noch einen zweiten Vornamen verpaßt.
„Du bist doch nur neidisch!“ sagt meine vernetzte Gefährtin. Nein, bin ich nicht. Eine Fernbedienung für Säuglinge müßte man erfinden, mit Stand-by-Taste, damit sie bei Bedarf still sind. Aber das wird auch nichts nutzen. Schon heute sind die jungen Kids soweit, daß sie die alten Hacker locker in die Tasche stecken. Bahnt sich da ein neuer Generationskonflikt an? Als kürzlich ein Elfjähriger zu Besuch kam und zu meiner großen Freude an den Rechner durfte, hat er in Null Komma nichts ein Problem in einem kniffligen Computerspiel gelöst, über dem ich schon seit Wochen erfolglos gebrütet habe. Kein Respekt vor der Maschine, die jungen Leute. Die machen einfach. Vielleicht ist der Name doch nicht so schlecht und hilft Klein Linus, ein großer Hacker zu werden. Welcome to a Cyberworld, junger Mann! Dieter Grönling
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