Rückkehr zur baskischen Normalität

■ Der baskische Parteienkonsens zur Isolierung der ETA und ihrer Partei Herri Batasuna ist schon wieder zerbrochen

Madrid (taz) – Noch sind die Proteste der Millionen, die nach der Ermordung des konservativen Gemeinderates Miguel Ángel Blanco gegen die bewaffnete baskische Separatistenorganisation ETA auf die Straße gingen, nicht verhallt. Aber schon gehört der vielbeschworene „Konsens aller Demokratischen Parteien gegen Terrorismus und Gewalt“ der Vergangenheit an. Wüste Beschuldigungen aller gegen alle füllen die Seiten der dünnen Sommerlochausgaben der spanischen Presse. Grund des Streits: Während die konservative Volkspartei (PP) von Regierungschef José Maria Aznar die Massenmobilisierungen gerne für sich vereinnahmen würde, stehen die baskischen Parteien einmal mehr vor der schier unlösbaren Aufgabe, mit Madrid zusammenzuarbeiten und trotzdem in einer durch und durch vom Nationalismus geprägten baskischen Gesellschaft glaubwürdig zu bleiben.

Konfliktthema ist wie schon so oft zuvor die Haftsituation der ETA-Gefangenen. Schon früher hatte etwa die im Baskenland mitregierende gemäßigt-nationalistische PNV der Zentralregierung in Madrid damit gedroht, das Thema vor den Europäischen Menschenrechtsausschuß zu tragen, falls die Häftlinge nicht – wie in der Verfassung verankert – in ihre Heimat zurückverlegt werden. 400 von ihnen sind über alle Haftanstalten Spaniens verteilt. Mit der Entführung und Ermordung des Stadtrates Miguel Ángel Blanco hatte die ETA die Verlegung der Gefangenen erzwingen wollen.

Seit Ende letzter Woche nimmt sich nun auch die PNV wieder des Themas an. Der Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des baskischen Parlaments, José Antonio Rubalkaba, beschuldigte den Madrider Innenminister Jaime Mayor Oreja, an zwei Selbstmorden von ETA-Gefangenen vor kurzem mitschuldig zu sein. Zum Eklat kam es, als die PNV am Dienstag im Gemeinderat von Amurrio, nahe der baskischen Hauptstadt Vitoria, zusammen mit der ETA-Partei Herri Batasuna eine Debatte über die Haftsituation eines aus dem Dorf stammenden Gefangenen auf die Tagesordnung des Gemeinderates setzte.

Der Vorsitzende der kleineren nationalistischen Kraft EA, Carlos Garaikoetxea, wittert seine Chance, der PNV Sympathien abzujagen. Ihm geht die Kritik an der Regierung Aznar nicht weit genug, da die PNV gleichzeitig die konservative Minderheitsregierung im Madrider Parlament stützt. „Wir müssen nicht nur für Herri Batasuna, sondern auch für Madrid klare Antworten bereithalten. (...) Es macht keinen Sinn, daß die PNV die Befriedung des Baskenlandes in ihren Absprachen mit der Volkspartei hintanstellt.“ Die PNV halte damit der Volkspartei nur den Rücken frei für eine immer härtere Politik gegenüber dem Baskenland – wie etwa die geplante Verschärfung des Strafgesetzbuchs, die unter anderem eine Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters bei Terrorismus auf 16 Jahre vorsieht. Reiner Wandler

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