: Die große Erleuchtung kam im Park der Wunder
■ Die Saga von Apple und Microsoft ist jene von Pionieren, vom gemeinsamen Klau genialer Ideen. Gewonnen hat derjenige, der die Großen auf seiner Seite hatte
Die großen Helden und kleinen Sturmtruppenführer der Computerbranche kennen sich schon aus den Tagen, als sie gerade das Studium abgebrochen hatten. Damals mußten sie ihre letzte Habe verkaufen, um eine Garage anzumieten. Heute haben Leute wie der Microsoft-Mitgründer Bill Gates oder sein Apple-Kollege Steve Jobs mehr oder weniger Milliarden Dollar auf dem Konto. Sie sind die Gladiatoren im weltweiten Circus maximus der Multimediabranche – und sie spielen ihre Rolle von David und Goliath besser als alle Vorgänger in Hollywood oder dem alten Rom zusammen.
Eine beliebte Kampfdisziplin ist immer noch der alte Gegensatz zwischen Apple und Microsoft. Die Computer mit dem angebissenen Apfel waren in den Augen ihrer Jünger schon immer schöner, praktischer und stürzten seltener ab. Und sie hatten den Hauptvorteil: Der User konnte aus vollem Herzen auf Microsofts beherrschende Rolle auf dem Softwaremarkt schimpfen. Schließlich konnte jeder in der PC-Gemeinde Anekdoten von Programmabstürzen, Festplattenmängeln und Virusbefall erzählen. Und oft wurde das Betriebssystem von Microsoft dafür verantwortlich gemacht, sei es nun das ältere DOS oder das spätere Windows.
Der kleine Haken an der Sache aus Sicht von Apple Macintosh samt deren Kunden: Mehr als 90 Prozent der PC-Nutzer kaufen inzwischen einen Computer, der mit der Software von Bill Gates läuft – ein Trend, der sich spätestens seit 1990 abzeichnete. Damals brachte Bill Gates sein Betriebssystem Windows auf den Markt und verkaufte davon im ersten Jahr eine höhere Stückzahl als Apple damals innerhalb von fünf Jahren. Das lag nicht nur daran, daß Gates meist erfolgreicher als andere auf einen neuen Trend aufsprang und viel Geld damit machte. Vielmehr wurden die von der großen Mehrheit favorisierten PCs nicht nur von einer einzigen Firma hergestellt wie im Falle Apple. Hunderte von Firmen lieferten sich einen Marketing- und Preiskampf im Bereich der Microsoft- oder IBM-kompatiblen Computer und drückten mit Riesenaufwand Apple aus den Regalen.
Dabei lag am Anfang der Personalcomputer-Saga Apple klar in Führung. Irgendwann Anfang der 70er Jahe traf nämlich ein Herr namens Steve Jobs bei einem Sommerjob während der Collegezeit auf ein Elektronikgenie namens Steve Wozniak. Wozniak hatte damals zum Beispiel eine Blue box konstruiert, ein kleines Kästchen, mit dem der Besitzer kostenlos Ferngespräche führen konnte.
Jobs verstand auch einiges von Elektronik und war der Meinung, daß man seine Erfindungen auch verkaufen müsse. Nach einem Intermezzo in Indien auf der Suche nach geistiger Erleuchtung kehrte er 1974 nach Kalifornien zurück, traf Wozniak wieder und überredete ihn, mit ihm einen Personalcomputer zu bauen. Der AppleI wurde in Jobs Schlafzimmer konstruiert, der erste Prototyp in der Garage der Eltern zusammengelötet. Ein paar Dutzend davon verkauften sie sogar an einen Computerhändler – was für Jobs bewies, das damit Geld zu machen sei.
Die beiden verkauften ihre Besitztümer, um mit 1.300 Dollar Startkapital eine Firma zu gründen: Jobs seinen hippiemäßigen VW-Bus und Wozniak sein Exemplar der damals noch seltenen wissenschaftlichen Taschenrechner von Hewlett Packard. Die Firma Apple wuchs rasch, und 1979 wurde Steve Jobs dann wirklich erleuchtet. Aber nicht in Indien, sondern in einem sagenumwobenen Labor in Kalifornien, bei Xerox Park in Palo Alto.
Dort hatte Xerox seit Jahren ein paar Dutzend der fähigsten Programmierer und Ingenieure versammelt. Die erfanden fast alles, was einen heutigen PC ausmacht: die Maus, die schönen Bildchen und Tabellen, die auf dem Bildschirmschreibtisch angeklickt werden können, den Ausdruck auf einem Laserprinter, die Vernetzung der PCs. Steve Jobs erhielt 1979 endlich die Erlaubnis, das Labor zu besuchen. Er erkannte sofort, daß diese Freaks die Zukunft der Personalcomputer auf ihren Labortischen hatten. Sein Glück: Bei Xerox im Hauptquartier erkannte das niemand, Apple konnte die Neuerungen als erster auf den Markt bringen.
Sein Pech: Bill Gates besuchte Xerox Park 1980. Zusammen mit seinem Kumpel Paul Allen hatte er die Firma Microsoft gegründet, die Programmiersprache Basic geschrieben und einige hunderttausend Dollar verdient. Mit diesem heute recht bekannten Computerunternehmer hatte Apple einige Male zusammengearbeitet. Gates hatte es inzwischen aber geschafft, den damaligen Herrscher der Computerbranche, IBM, zu überlisten. Aufgeschreckt durch solche Newcomer wie Apple wollte auch IBM im PC-Markt einsteigen. Bill Gates lieferte die wichtigste Software, die die Programme managt, und kassierte so Lizenzgebühren für jeden IBM-PC.
Nach dem Xerox-Besuch von Gates arbeitete auch Microsoft an einem Betriebssystem, das mit einer Maus und farbigen Bildchen gesteuert wurde – im Wettstreit mit Apple. Der Ausgang des Rennens ist bekannt. Apple hatte zwar ein Jahr Vorsprung und versuchte Gates wegen Verletzung des Copyrights zu verklagen. Aber das Gerichtsverfahren endete unentschieden, weil ja nun einmal beide bei Xerox die Zukunft geschnuppert hatten. Wie soll Bill Gates damals zu den Kopiervorwürfen von Jobs gesagt haben: „Steve, ich glaube, es war eher so: Wir hatten beide einen reichen Nachbarn namens Xerox. Du bist bei ihm eingebrochen, um den Fernseher zu stehlen, und hast herausgefunden, daß ich schon vor dir da war.“ Reiner Metzger
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