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„Macker“Kaisen hat historischen Wert

■ Die Marktplatz-Inschrift „Gedenke der Brüder...“wird Teil einer Ausstellung in Bonn

Bremens Zeichen der Solidarität mit den Bürgern im realsozialistischen Osten Deutschlands prangt in großen Lettern vom Deutschen Haus am Markt: „Gedenke der Brüder, die das Schicksal unserer Teilung tragen.“Diese in Eisen gegossene Inschrift geht auf eine Initiative von Altbürgermeister Wilhelm Kaisen zurück, der sie in seiner Amtszeit zwischen 1945 und 1965 dort anbringen ließ.

Für Kaisen hatten die Schwestern in der DDR offensichtlich nicht unter der deutschen Teilung zu leiden. Kaisen ein Sinnbild für den männlichen Chauvinismus der Sechziger? Oder vergaß er die weibliche Hälfte der Leidenden schlichtweg?

Des Bürgermeisters beschränkte Sicht von damals hat heute historischen Wert. Das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn hat jetzt den „Macker“Wilhelm Kaisen als Vertreter des Zeitgeistes entdeckt. Seine Mahnung an die Bremer Männer und Frauen wird ab Herbst die Bonner Ausstellung „Ungleiche Schwestern: Frauenleben in Ost- und Westdeutschland“bereichern und beweisen, daß zu Kaisens Zeiten die Probleme der „Schwestern“nicht gerade im Mittelpunkt des politischen Geschehens standen.

Obwohl das Haus am Markt seit 1992 in privatem Besitz ist, sind die ehernen Worte Kaisens Eigentum der Stadt Bremen. Die Bonner Ausstellungsmacher fragten deshalb offiziell beim Bremer Rathaus an und baten um die Ausleihe des Kaisen-Zitats. Die Senatskanzlei sah keinen Grund, dieses aus heutiger Sicht nicht ganz astreine Kapitel Bremer Geschichte geheimzuhalten und stimmte der Bitte zu.

Die BremerInnen müssen deshalb für einige Monate auf ihr zeitgeschichtliches Dokument unter freiem Himmel verzichten. Touristen werden vergeblich Ausschau nach ihrem Postkartenmotiv halten. Kaisens Worte werden für die Zeit von Oktober an bis Februar 1998 demontiert und auf Zeit nach Bonn exportiert. Eine „schwesterliche“Ergänzung nach ihrer Rücckehr ist nicht geplant. C.S.

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