: Abstraktes, geerdet im Himmel
■ Das MDR-Radio Sputnik hängt in der Luft und der MDR-Chef Udo Reiter zwischen den Stühlen
„Tief draußen im All“, so stand es einmal in den Sputnik News, dem Mitteilungsblatt von Deutschlands am spärlichsten empfangbaren Rockradio, „tobt der Entscheidungskampf um die Herrschaft im Äther.“ Der „Rockserver“ Sputnik sei im Kosmos verschollen, nur erreichbar für „Hunderttausende Verzweifelte“, die „im Schutze der Nacht“ an ihrem Satelliten- und/ oder Kabelradio lauschten. Ob es hunderttausend sind, sei mal dahingestellt, doch soviel stimmt: Das MDR-Jugendradio Sputnik, Nachfolger des verklärten DDR- Senders DT 64 sendet praktisch unter Ausschluß der Öffentlichkeit über Satellit und wenige Kabelnetze, seit es die Leipziger Anstalt 1993 unter ihre Fittiche nahm.
Ein „Entscheidungskampf“ tobt auch tatsächlich, aber nicht im Kosmos sondern auf dem Boden von Sachsen-Anhalt. Dort bekam der Sputnik nämlich Landeerlaubnis: Bereits im Februar teilte die Landesregierung dem Sender eine starke UKW-Frequenz an seinem Sitz in Halle zu. Doch in Leipzig sitzt MDR-Intendant Udo Reiter und der hat sein O.k. noch nicht gegeben: Sputnik wird nicht aufgeschaltet, obwohl es Gerüchten zufolge technisch machbar sein soll.
Eigentlich könnte Reiter sich freuen, eine Verbreitungsmöglichkeit mehr zu bekommen, zog er doch im Konkurrenzkampf mit den Privatradios in mitteldeutschen Gefilden oft den kürzeren. Was einerseits an seinem Programm lag, andererseits aber auch daran, daß die sächsische Administration Konkurrenz protegiert. Und da nimmt Reiter so seine Rücksichten. Sachsen und Thüringen wollen dem MDR höchstens ein weiteres UKW-Programm zugestehen. Der MDR hat mit Sputnik und dem Mittelwellenradio MDR Info aber gleich zwei Programme, die auf UKW wollen.
Sachsen-Anhalt vergab Frequenzen gleich für beide. „Da war bei uns der Hals voll“, sagt Sachsens Regierungssprecher Michael Sagurna: „Wir haben es mit Schlitzohren zu tun.“ Sachsen will verhindern, daß die Anstalt mehr Programme macht: „Sonst gibt es bald auch eines für Briefmarkensammler.“ Ganz im Sinne der Privatfunklobby, die lautstark wirtschaftliche Einbußen befürchtet.
Der MDR-Chef predigt zwar überall das MDR-Modell der Mehrländeranstalt, sitzt aber diesmal selbst zwischen allen Länderstühlen. Da verlegte er sich aufs Taktieren. Statt gegenüber der Politik weiter Rundfunkfreiheit und Entwicklungsgarantie einzuklagen, machte er den Privatfunkern ein Friedensangebot: Er wolle gern auf die Regionalwerbung bei MDR 1 verzichten, wenn die Privaten ruhig blieben.
Die ließen ihn abblitzen: „Unsere Werbezeiten sind käuflich“, kommentierte ein Privatfunkvertreter, „wir als Sender nicht.“ Inzwischen ist zu hören, Reiter wolle die Entscheidung nun am liebsten an seinen Rundfunkrat loswerden. Der tagt im September.
Derweil macht sich die Sputnik- Redaktion am Waisenhausring in Halle Gedanken, wie sich ihr Radio auf UKW anhören könnte. Ohne zu wissen, ob es klappt. Programmchef Michael Schiewack beschwichtigt: „Wir waren zwar noch nie so nah dran wie jetzt.“ Allerdings gehe es schon fünf Jahre darum, „wie wir die abstrakte Veranstaltung im Himmel erden“.
Kommt Sputnik tatsächlich auf UKW, will Schiewack das Programm regionaler machen und über lokale Sendefenster nachdenken. Über ein konkretes Konzept schweigt er sich aus.
Auch zur Musik macht er nur Andeutungen. Der Sender, Werbespruch „Rock the Nation“, der statt Teenie-Musik hauptsächlich einen HipHop-Rock-Mix bringt, stehe vor der Frage „Techno oder nicht“. Da es im Osten eine Rockradio-Tradition gebe, will er Sputnik weder „verfritzen“ noch eine N-Joy-Kopie draus machen. Das ORB-Jugendradio Fritz und N-Joy vom NDR sind freilich Quotenbringer. Im Internet tauschen die eingeschworenen Sputnik-Fans schon wilde Befürchtungen aus. „By the way“, meint einer, „Rock the nation, nicht dudel the nation.“ Georg Löwisch
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